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Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt im Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirko Kovac
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meinem Namen um die Hand der Tochter anhalten. Aus dem Mund meiner Tante kamen die Worte wie Honig geflossen, sie entschuldigte sich für dies und das, und dann wurde mir klar, dass die Leute überraschend von ihr aufgesucht worden waren und zum Glück überhaupt nichts im Vorhinein abgesprochen worden war. »Wir haben einfach mal reingeschaut, weil ich meinem Neffen das schönste Banater Mädchen zeigen wollte«, sagte sie. »Jeder will sie sehen, sie ist ja schon so schön, dass sie eine Berühmtheit geworden ist«, sagte sie.
    »Wenn es so wäre, dann hätten wir sie längst unter die Haube gebracht«, sagte Tibor. »Ich bin traurig, dass ich noch keine Erben habe.« »Ohne einen Soldaten ist das Haus leer«, sagte meine Tante. »Wir haben keine Kinder, aber unser Neffe hier, der wird eines Tages alles erben.«
    Erst jetzt sahen mich die beiden Eheleute an, aber nichts änderte sich an ihrem leeren Blick. Die Lüge meiner Tante belustigte mich, aber ich unterließ es, auf sie einzugehen. In diesem Moment kam die Tochter herein, sie hatte ein Hauskleid an, nasse Haare und einen Föhn in der Hand. Sie war überrascht, Gäste im Haus vorzufinden, die nicht eingeladen worden waren, sie sprach streng, geradezu schreiend mit ihren Eltern. Wir verstanden zwar nichts, weil sie Ungarisch sprach, aber es war mehr als deutlich, dass sie ihnen Vorwürfe machte. Sie beruhigte sich erst, nachdem ihre Mutter sie zärtlich gestreichelt und etwas Freundliches in mildem Ton gesagt hatte. Sie verzog sich in die Ecke, setzte sich auf einen niedrigen Hocker, steckte den Föhn in die Steckdose und fing an, sich die Haare zu trocknen. Erst in diesem Augenblick richtete ihr Vater das Wort an mich. »Das ist unser Liebling Eva. Sie ist wütend, weil sie denkt, wir hätten schon wieder einen potenziellen Bräutigam ins Haus geholt. Das wäre dann der zwanzigste, alle anderen hat sie bisher abgelehnt.«
    Eva hatte langes kastanienbraunes Haar, sie war hübsch, klein und perfekt gebaut. Als sie vor mir stand, schob sie ihr Hauskleid ein wenig zur Seite, zeigte ihren Körper, sie fuhr sich mit der Zunge über den Mund und bellte mich wie ein kleiner Hund an, der dabei seine Zähne zeigte. »Was für ein Jammer, dass du so hässlich bist, ich würde sonst gerne mit dir ausgehen«, sagte sie. »Heute ist ein Tanzabend vorgesehen, im Haus der Kultur, es spielen Musiker aus Subotica.«
    Verführerisch drehte sie sich um und entfernte sich hüpfend aus dem Raum. Ihr Vater Tibor stand auf, nahm meine Hand, zog mich aus dem Sessel, wahrscheinlich wollte er mit dieser Geste die Worte seiner verwöhnten Tochter ein wenig vergessen machen. Eva zeigte sich noch einmal kurz an der Tür, die sie nur angelehnt hatte, und lugte mit dem Kopf herein. »Falls es euch interessiert, ich warte auf einen Prinzen«, sagte sie, lachte und verschwand.
    Tibor führte mich zum Fenster und zeigte auf ein wunderschönes orangefarbenes kleines Haus auf dem Hof, die Türen waren weiß gestrichen, die Wandpfeiler waren rechteckig, über der Tür stand 1927, das Baujahr des Hauses. »Wer auch immer meine Tochter heiratet, bekommt als Brautschatz dieses Häuschen geschenkt, dazu gibt es noch den Obstgarten und den Ziehbrunnen«, sagte er.
    Ich war verzaubert von der märchenhaften Schönheit dieses Anwesens, die Harmonie und der Stil des Gartenhäuschen hatten es mir angetan, und aus der Perspektive eines adressenlosen Menschen kam mir alles wie ein idealer Ort zum Schreiben vor. Als ich das Zauberhäuschen und daneben die dichte Baumkrone des Walnussbaumes betrachtete, sagte ich betört, dass ich noch nie so einen schönen Baum gesehen hatte. »Diesen Walnussbaum habe ich zu Ehren von Evas Geburt gepflanzt«, sagte Tibor. »Jetzt ist auch er dreißig Jahre alt, er trägt gut und spendet satten Schatten. Wenn ich von der Ackerarbeit müde bin, lege ich mich unter den Walnussbaum, schlafe genüsslich eine Runde und wache erholt und zur neuen Arbeit bereit wieder auf.«
    Tibor hielt mich die ganze Zeit am Arm fest und zeigte mir die eingerahmten Familienbilder an den Wänden, erklärte mir, wer wer in ihrer zahlreichen Familie war, die sich in alle Richtungen zwischen Horgos und Kaniza, Futog und Novi Sad und in Ungarn zwischen Baj und Szeged zerstreut hatte. »Wir haben allein siebenhundert junge Verwandte, die unter dreißig Jahren sind«, sagte er.
    Er sprach über seine Familie, aus der zwei berühmte Metzger stammten, eine berühmt gewordene Saure Wurst trug den Namen

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