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Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Die Stadt in den Sternen (German Edition)

Titel: Die Stadt in den Sternen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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unter diesem Alptraum aus Wolken und Licht lagen Kontinente, Meere und Inseln, auf die seit dem Schwarzen Krieg kein einziger Sonnenstrahl mehr gefallen war.
    Er fühlte die Hände des Mädchens auf seinen Schultern. Immer wieder kniff er die Augen zusammen, doch die Tränenschleier waren zu dicht. Endlich schaffte er es, sich aufzurichten. Sie hielt ihn fest. Gleichzeitig begann sich der Boden unter ihm zu heben. Das Licht verschwand. Eine angenehme Dämmerung hüllte sie ein. Das leise Vibrieren von unsichtbaren Levitan-Spulen trug die Plattform mit Reanny und dem Mädchen innerhalb der hohlen GRID-Lamelle nach oben.
    Langsam ging die vertikale Bewegung in ein horizontales Gleiten über. Am höchsten Punkt des Ringwalls um die schwebende Stadt erreichten sie einen Ringtunnel. Sie stiegen auf eine zweite Plattform um. Diesmal ging die Fahrt abwärts. Sie dauerte fast drei Minuten, doch Reanny war zu beeindruckt, um sprechen zu können. Alles in ihm war erregt und aufgewühlt. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er reines, klares Sonnenlicht gesehen. Der Mann, dessen Leben stets grau gewesen war, konnte den Schock aus Licht und Farben nicht sofort verdauen.
    Das war mehr, als er sich jemals vorgestellt hatte.
    Als sie aus der Öffnung auf der anderen Seite der Ringlamelle traten, erhielt Peter Reanny seinen zweiten Tiefschlag. Diesmal riß kein Sturm an seinem Schutzanzug, kein wolkenverdeckter Planet erstreckte sich unter ihm, doch dafür sah er die Stadt.
    Durch riesige Blätter, vorbei an großen Trauben und prallen Früchten glitt sein Blick über das regelmäßige System der Hochhäuser bis hinüber zu den weißen Spitzen des Monte-Rosa-Plateaus.
    »Die hängenden Gärten ziehen sich rund um die ganze Stadt«, lächelte Mona de Fries stolz, »sie verdecken die untere Hälfte dieses häßlichen Ringwalls.«
    Reanny hörte sie kaum. Er sah, wie das Mädchen die Sauerstoffmaske vom Gesicht nahm und die Schutzhaube zurückstrich. Sie schüttelte ihren Kopf, und ihr Haar fiel auf die Schultern zurück. Doch Reanny wollte seine Sauerstoffmaske nicht abnehmen. Er wollte nicht, daß das Mädchen die Tränen sah, die über seine Wangen bis in seinen dichten Bart liefen. Erschüttert tastete er mit den Fingerkuppen über eine große Orange. Er war derartig in das Bild der paradiesischen Fata Morgana versunken, daß er nicht sah, wie sich schwere Hände über den Mund von Mona de Fries legten. Er machte einen Schritt nach vorn und ging vorsichtig weiter in die terrassenartig angelegten hängenden Gärten hinein.
    Der Stoß in den Rücken traf ihn so unerwartet, daß er nach vorn stürzte. Er klammerte sich an eine schwere Weintraube, riß sie ab und fiel zu Boden. Sein massiger Körper rollte die Terrassenhänge hinab. Mit Händen und Füßen suchte Peter Reanny nach einem Halt. Noch im Fallen sah er, daß es mindestens sechs waren, die sich von hinten an ihn herangeschlichen hatten.
    *
    Nail wurde unsanft in einen Sessel gestoßen. Irritiert blickte er sich um. Der Raum war klein und wirkte schäbig. Nackte Metallregale und schmuddelige Plastiksessel bildeten die ganze Einrichtung. Die Abdeckleiste vor der indirekten Lichtquelle fehlte.
    »Ich weiß nichts«, stieß Nail mit einem Seitenblick auf den spindeldürren Mann hervor. »Ich komme gerade aus dem Traumatikum. Hypnoschock.«
    Der Adamsapfel des langen Mannes bewegte sich. Er sah aus wie ein kleines, in seinem dürren Hals gefangenes Tier.
    »Nail McMan«, sagte er und schob seine dünne Unterlippe nach vorn. Er trat zu einem Regal und nahm ein Stück durchsichtige Folie auf. Vorsichtig hielt er sie gegen die Lichtquelle.
    Nail konnte die Zeichen und Buchstaben auf dem Plastikstreifen nicht sehen.
    »26 Jahre alt, LEVITAD-Geborener, Ausbildung als Mineraloge, nicht anerkannter Wissenschaftler.«
    Er drehte sich um und starrte Nail McMan an.
    »Ich war bereits bei Dr. Ragano. Wir hatten eine Unterredung. Sofort anschließend bin ich ins Traumatikum gegangen.«
    Der dürre Mann machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Damit wir uns richtig verstehen – ich habe nichts mit dem Institut für Sicherheit und öffentliche Ordnung zu tun. Was Dr. Ragano und seine Leute machen, interessiert mich nicht. Ich will nur wissen, was Sie sich dabei gedacht haben.«
    »Wobei?« fragte Nail verständnislos.
    Der dünne Mann kam einen Schritt auf ihn zu. Er stemmte seine mageren Arme auf die Lehnen von Nails Sessel. Sein Vogelkopf war jetzt direkt vor Nail McMans Gesicht. Nail sah die

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