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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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absetzte, lag nur einen Katzensprung von seinem Büro entfernt und war nicht so schummrig wie die meisten Polizeikneipen in Besźel. Das Ambiente wirkte etwas gehobener, trotzdem hätte ich keinen Hochzeitsempfang darin veranstaltet. Schon jetzt, kurz vor Feierabend, waren Theke und Tische gut besetzt. Bestimmt waren nicht alle Gäste Militsya, aber ich erkannte viele Gesichter aus Dhatts Abteilung und wurde ebenfalls erkannt. Dhatt schallte ein Chor von Begrüßungen entgegen; mich, in seinem Schlepptau, begleiteten halblaute Bemerkungen und diese ach so charmanten unverhohlenen qomanischen Blicke.
    »Ein definitiver Mord und zwei vermisste Personen«, sagte ich und musterte dabei sein Mienenspiel. »Alles Wissenschaftler, von denen man weiß, dass sie sich mit Orciny beschäftigt haben.«
    »Es gibt verdammt noch mal kein Orciny.«
    »Das will ich auch gar nicht behaupten. Sie haben selbst gesagt, es gibt so etwas wie Kulte und Spinner.«
    »Lecken Sie mich doch! Der kultverdächtigste Spinner, den wir vorzuweisen hatten, ist mit Ihren guten Wünschen vom Schauplatz des Verbrechens geflohen.«
    »Ich hätte Sie gleich heute Morgen davon unterrichten sollen. Ich bitte um Entschuldigung.«
    »Gleich in der Nacht hätten Sie Bescheid geben sollen.«
    »Auch wenn wir ihn finden könnten, nach meiner Ansicht hatten wir nicht genug gegen ihn in der Hand, um ihn festzuhalten. Trotzdem entschuldige ich mich.« Ich breitete die geöffneten Hände aus.
    Ich konnte sehen, wie er mit sich rang. »Ich will diesen Fall lösen«, sagte er endlich. Um uns herum das melodische Gesumm der Unterhaltungen auf Illit. Ich hörte das Schnalzen, mit dem ein oder zwei Gäste meine ABID kommentierten. Dhatt spendierte mir ein Bier, qomanisches Gebräu. Vom Geschmack her einmal durch den Kräutergarten und zurück. Der Winter hatte kaum angefangen, und obwohl es in Ul Qoma nicht kälter sein konnte als in Besźel, kam es mir kälter vor. »Was meinen Sie dazu? Wenn Sie der Meinung sind, Sie können mir nicht vertrauen ...«
    »Dhatt, ich habe Ihnen bereits Dinge anvertraut, die ...« Ich senkte die Stimme. »Außer Ihnen weiß keiner von dem ersten Telefonanruf. Momentan weiß ich nicht, in was wir hineingeraten sind. Ich stehe da wie der Ochs vorm Berg. Ich leiste keine kriminalistische Arbeit. Durch einen glücklichen Zufall, den ich mir so wenig erklären kann wie Sie, bin ich so eine Art Sammelbehälter für einen Haufen Informationen, mit denen ich nichts anzufangen weiß. Noch nicht, wie ich hoffe, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.«
    »Was glaubt Jaris denn, was hinter der Sache steckt? Ich werde den Wichser schnappen und nehme ihn mir zur Brust.« Irgendwie musste Dhatt seiner Frustration Luft machen.
    »Schon gut, schon gut. Ich hätte anrufen sollen, aber mir war klar ... Er ist nicht unser Mann. Sie wissen es, Dhatt. Sie wissen es. Wie lange sind Sie schon Polizist? Unsereins hat einen Riecher dafür, stimmt's?« Ich tippte mir gegen die Nase. Er grinste und nickte.
    Ich wiederholte ihm mein Gespräch mit Jaris. »Blödsinn«, lautete sein Kommentar, als ich geendet hatte.
    »Möglich.«
    »Was zum Teufel hat es mit diesem Orciny auf sich? Deswegen ist er abgehauen? Sie lesen doch dieses Buch. Das politisch unkorrekte, das Bowden geschrieben hat. Was steht drin?«
    »Eine Menge. Viele Dinge. Ich weiß nicht. Natürlich ist es absurd. Graue Eminenzen, mächtiger noch als Ahndung, geheime Macher, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen, verborgene Städte.«
    »Blödsinn.«
    »Ja, aber Blödsinn, den viele Menschen glauben. Und« - ich breitete die Hände aus - »etwas Großes ist im Busch, und wir haben keine Ahnung, was es sein könnte.«
    »Vielleicht werfe ich mal einen Blick in den Schmöker, wenn Sie ihn durchhaben«, meinte Dhatt. »Wer weiß schon, was es alles gibt auf der Welt.«
    »Qussim.« Einige seiner Kollegen, alle etwa in seinem - oder meinem - Alter, prosteten ihm zu und beiläufig auch mir. In ihren Augen glomm etwas, sie rückten näher wie neugierige Tiere. »Qussim, wir hatten noch keine Gelegenheit, unseren Gast kennenzulernen. Du hast ihn uns vorenthalten.«
    »Yura«, sagte Dhatt. »Kai. Was macht die Kunst? Borlú, das sind meine geschätzten Kollegen Blah und Blah.« Er schwenkte die Hand zwischen ihnen und mir. Einer quittierte diese formlose Art der Vorstellung mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Ich wollte mich nur erkundigen, was Inspektor Borlú von unserem schönen Ul Qoma hält«,

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