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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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äußerte der Kai genannte. Dhatt schnaubte und leerte sein Bierglas.
    »Von wegen«, sagte er. Es klang halb belustigt, halb ärgerlich. »Ihr wollt euch betrinken und Streit mit ihm anfangen, vielleicht sogar, wenn du blau genug bist, Yura, eine Schlägerei. Ihr werdet alle möglichen unschönen internationalen Zwischenfälle hervorkramen, vielleicht sogar den bescheuerten Krieg wieder aus der Versenkung holen. Und Kai, wenn's ganz schlimm kommt, fängst du auch noch mit deinem Vater an.« Dhatt wandte sich an mich. »Sein Alter war in der UQ-Marine. Hat sich einen Tinnitus oder so was geholt, als er sich mit einem Besź-Schlepper angelegt hat, wegen ein paar umstrittener Hummerkörbe oder was weiß ich.« Ich schaute in die Gesichter, doch in keinem malte sich wirklicher Ärger. Kai schien sogar seinen Spaß zu haben. »Ich erspare euch die Mühe«, fuhr Dhatt fort. »Er ist genau der Besź und Wichser, für den ihr ihn haltet. Weitersagen. Kommen Sie, Borlú.«
    Wir gingen bei der Garage des Reviers vorbei, weil er sein Auto holen wollte. »He ...« Er zeigte einladend auf das Lenkrad. »Fällt mir erst jetzt ein, vielleicht wollen Sie sich mal auf den hiesigen Straßen austoben.«
    »Nein, danke. Ich glaube, es wäre für mich zu verwirrend.« Autofahren in Besźel - für Ul Qoma gilt dasselbe - ist schon eine Konzentrationsübung, wenn man in seiner eigenen Stadt unterwegs ist und auf den einheimischen und externen Verkehr reagieren muss.
    »Wissen Sie«, sagte ich zu Dhatt, »als ich vor Jahren meinen Führerschein gemacht habe ... Genau wie hier muss man lernen, nicht nur die eigenen Autos auf der Straße zu sehen, sondern man muss auch lernen, die anderen Autos zu nichtsehen, und zwar so schnell, dass man ihnen ausweichen kann.« Dhatt nickte. »Jedenfalls, als ich anfing, Auto zu fahren, brachte man uns bei, möglichst unfallfrei die alten qomanischen Rostlauben und Knatterkästen zu überholen, die den Verkehr aufhielten. In manchen Gegenden waren es auch Eselskarren. Tja, die Jahre vergingen, und jetzt überholen die meisten Nichtsehbaren mich.«
    Dhatt lachte. Fast verlegen. »Es ist ein ewiges Auf und Ab«, meinte er. »Noch zehn Jahre weiter, und ihr seid wieder dran mit Überholen.«
    »Da habe ich meine Zweifel.«
    »Ach was. Nichts ist beständiger als der Wandel. Die Waagschale beginnt schon, sich zu euren Gunsten zu heben.«
    »Unsere Expos? Ein paar popelige Mitleids-Investitionen. Nach meiner Prognose ist eure Stellung als Alpha-Wolf für die nächste Zukunft gesichert.«
    »Und unser Handelsembargo?«
    »Scheint euch nicht zu schaden. Washington liebt uns, und alles, was wir davon haben, ist Coca Cola.«
    »Seien Sie nicht undankbar. Haben Sie Canuck Cola probiert? Scheiß auf den Kalten Krieg. Wen interessiert das schon, mit wem Uncle Sam spielen will? Viel Glück. Oh Canada ...« Er sang die Zeile, dann erkundigte er sich: »Und, wie ist das Essen in ihrem Hotel?«
    »In Ordnung. Geht so. Nicht schlechter als jedes andere Hotelessen.«
    Er riss das Steuer herum, verließ die Strecke, die ich mittlerweile kannte. »Süße«, sagte er in sein Handy, »kannst du noch ein bisschen Wasser an die Suppe tun? Ich möchte, dass du meinen neuen Partner kennenlernst.«
    Ihr Name war Yallya. Sie war hübsch, ein gutes Stück jünger als Dhatt, aber sie begrüßte mich sehr souverän als Dame des Hauses nach qomanischer Sitte mit Küsschen links, rechts, links, eine Rolle, die sie spielte und genoss.
    Auf dem Weg zu seiner Wohnung hatte Dhatt mich kritisch gemustert und gefragt: »Alles in Ordnung mit Ihnen?« Bald stellte sich heraus, dass er - reinräumlich - in meiner weiteren Nachbarschaft lebte, nicht ganz eine Meile entfernt. Von ihrem Wohnzimmerfenster aus schauten Dhatt und Yallya auf dieselbe Grünanlage wie ich. In Besźel war es Majdlyna Green, in Ul Qoma der Kwaidso Park, eine genau ausbalancierte Deckungsgleiche. Ich war oft in Majdlyna spazieren gegangen. An manchen Stellen sind sogar einzelne Bäume deckungsgleich, und Kinder aus Besźel und Kinder aus Ul Qoma klettern aneinander vorbei, von ihren Eltern mit durchdringendem Flüstern ermahnt, ja den anderen zu nichtsehen. Kinder sind wandelnde Ansteckungsherde. Epidemiologie ist ein traditionell kompliziertes Gebiet, hüben wie drüben.
    »Wie gefällt Ihnen Ul Qoma, Inspektor?«
    »Tyador. Sehr gut.«
    »Blödsinn, er glaubt, wir sind allesamt Schläger und Idioten und unterwandert von geheimen Armeen aus verborgenen Städten.« Dhatts

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