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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Lachen war nicht ohne Schärfe. »Egal, wir hatten bis jetzt noch keine Gelegenheit zu einer Sightseeing-Tour.«
    »Und wie kommt ihr mit dem Fall voran?«
    »Es gibt keinen Fall«, setzte er ihr auseinander. »Stattdessen haben wir es mit einer Reihe individueller und unplausibler Vorfälle zu tun, zwischen denen man nur dann einen Zusammenhang erkennen kann, wenn man bereit ist, die verrücktesten, abgefahrensten Hirngespinste für bare Münze zu nehmen. Und am Ende dieser Kette haben wir ein totes Mädchen.«
    »Stimmt das?«, fragte sie mich. Beide stellten im Wechsel eine Vielzahl unterschiedlicher Speisen in kleinen Schüsseln und Schalen auf den Tisch. Keine Hausmannskost, vielmehr sah es aus, als hätte man bei der Zubereitung der Mahlzeit auf Fertiggerichte und Abgepacktes zurückgegriffen. Aber die Qualität war besser als bei der Touristenfütterung im Hotel und die Gerichte landestypischer, auch wenn das nicht jedem Gaumen schmeichelte. Über dem deckungsgleichen Park färbte sich der Himmel schwarz: Mit der Nacht zogen Regenwolken heran.
    »Ihnen fehlen die Kartoffeln beim Essen, nicht wahr?«, fragte Yallya.
    »Steht mir das ins Gesicht geschrieben?«
    »Bei euch isst man nichts anderes, habe ich gehört.« Sie glaubte, amüsant zu sein. »Unser Essen ist Ihnen zu scharf gewürzt?«
    »Da ist jemand im Park, der uns beobachtet.«
    »Wie können Sie das von hier aus erkennen?« Sie spähte über meine Schulter. »Hoffen wir um seinetwillen, dass er sich in Ul Qoma befindet.« Sie war Redakteurin bei einem Finanzmagazin, und nach den Büchern in den Wohnzimmerregalen zu urteilen und den Postern im Bad, liebte sie japanische Comics.
    »Sind Sie verheiratet, Tyador?« Ich bemühte mich, Yallyas Fragen zu beantworten, was nicht einfach war, weil sie mich regelrecht damit bombardierte. »Sind Sie zum ersten Mal hier?«
    »Nein, aber zum ersten Mal nach sehr langer Zeit.«
    »Dann kennen Sie sich in Ul Qoma nicht mehr aus?«
    »Nein. Früher einmal hätte ich behauptet, mich in London auszukennen, aber seit mittlerweile einigen Jahren wäre ich nicht mehr so vermessen.«
    »Sie sind ein weitgereister Mann! Und nun mischen Sie sich unter Zwischler und Grenzbrecher?« Ich fand diese Bemerkung nicht sonderlich geistreich. »Qussim sagt, ihr treibt euch dort herum, wo sie den alten Hokuspokus aus der Erde graben?«
    »Da ist es wie überall, bürokratischer, als es sich anhört, und keine Spur von den Gruselgeschichten, die sich darum ranken.«
    »Entschuldigen Sie, ich bin so albern.« Ganz plötzlich wirkte sie kleinlaut. »Ich sollte keine Witze darüber machen. Es liegt daran, dass ich so gut wie nichts über das Mädchen weiß, das ermordet wurde.«
    »Du fragst nie«, meinte Dhatt.
    »Ja, weil ... Haben Sie ein Bild von ihr?« Ich muss verblüfft ausgesehen haben, weil Dhatt, als ich ihn anschaute, mit den Schultern zuckte. Ich griff in die Innentasche meiner Jacke, doch als ich meine Brieftasche herausziehen wollte, fiel mir ein, dass das einzige Bild, das ich dabei hatte - die passfotogroße Kopie einer Kopie -. eine Aufnahme der toten Mahalia war. Das wollte ich nicht herzeigen.
    »Nein, tut mir leid, ich habe keins.« In dem darauffolgenden kurzen Schweigen überlegte ich, dass Mahalia nur unwesentlich jünger gewesen war als Yallya.
    Ich blieb länger, als ich geplant hatte. Yallya war eine gute Gastgeberin, besonders nachdem sie zugelassen hatte, dass wir das Thema wechselten. Ich beobachtete die zärtlichen Kabbeleien zwischen ihr und Dhatt. Die Nähe des Parks und der zwei in Zuneigung verbundenen Menschen machte sentimental, lenkte die Gedanken auf seltsame Pfade. Ich dachte an Sariska und Biszaya. Ich erinnerte mich an die merkwürdige Wissbegier von Aikam Tsueh.
    Als ich ging, begleitete Dhatt mich nach draußen und wollte zu seinem Auto, das am Straßenrand parkte, aber ich sagte: »Lassen Sie, ich gehe zu Fuß.«
    Er musterte mich erstaunt. »Alles in Ordnung?«, fragte er. »Sie waren den ganzen Abend schon so komisch.«
    »Alles in Ordnung, mir geht es gut. Tut mir leid, ich wollte nicht unhöflich sein, ich habe mich sehr über die Einladung gefreut. Wirklich, es war ein schöner Abend, und Yallya - Sie sind ein glücklicher Mann. Ich bin nur ... mir geht Verschiedenes durch den Kopf. Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich habe Geld. Hiesige Währung.« Ich zeigte ihm meine Brieftasche. »Ich habe sämtliche Papiere bei mir. Meine ABID. Ich weiß, Sie fürchten, dass ich Dummheiten mache,

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