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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Warteschlangen, und ich bemerkte hinter ihm verärgerte Mienen. Gegen die allgemeine Bewegungsrichtung kam er langsam, aber stetig auf uns zu. Yolanda folgte unserem Blick und stieß ein leises Wimmern aus.
    »Komm weiter.« Dhatt legte ihr die flache Hand auf den Rücken und schob sie schneller auf das Tunnelmaul zu. Der Mann, der uns scheinbar folgte, versuchte ebenfalls, schneller vorwärtszukommen, soweit das Gedränge es zuließ. Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging ihm entgegen.
    »Beeilt euch«, sagte ich über die Schulter zu Dhatt. »Bringen Sie sie zum Grenzübergang. Yolanda, sobald du drüben bist, geh zu der Policzai beamtin, die dort wartet.« Ich fiel in Laufschritt. »Avanti.«
    »Warten Sie«, rief Yolanda mir nach, aber ich hörte Dhatt mit ihr diskutieren. Ich konzentrierte mich auf unseren Verfolger. Ihm konnte nicht entgehen, dass ich auf ihn zusteuerte, er blieb stehen und schob die Hand in die Jacke. Meine Hand fuhr zum Gürtel, dann fiel mir ein, dass ich in dieser Stadt unbewaffnet war. Der Mann wich ein, zwei Schritte zurück. Er zog den Schal vom Gesicht. Er rief meinen Namen. Es war Bowden. Er nahm etwas aus der Jackentasche, eine Pistole, die er zwischen den Fingern hielt, als wäre er allergisch dagegen. Ich stürzte mich auf ihn, hörte hinter mir etwas wie ein scharfes Keuchen. Und noch einmal, gefolgt von spitzen Angstschreien. Dhatt rief immer wieder meinen Namen.
    Bowden starrte gebannt über meine Schulter. Ich wandte den Kopf. Dhatt kauerte ein paar Meter von uns entfernt zwischen den Autos. Er krümmte sich zusammen und brüllte. Autofahrer duckten sich in ihren Fahrzeugen. Ihre Schreie sprangen über auf die Reihen der nicht motorisierten Reisenden in Ul Qoma und Besźel. Dhatt beugte sich über Yolanda. Sie lag da wie hingeworfen. Ich konnte sie nicht deutlich sehen, aber ihr Gesicht war voller Blut. Dhatt hielt seine Schulter umklammert.
    »Ich bin getroffen!«, rief er mir zu. »Yolanda ist ... Verflucht, Tyad, ich glaube, es hat sie erwischt ...«
    Weiter hinten im Tunnel entstand Tumult. Über den behäbig rollenden Verkehr hinweg sah ich am anderen Ende der riesigen Halle, am Ausgang nach Besźel, ein Gewoge in der Menge wie von Tieren in Panik. Leute drängten weg von einer bestimmten Stelle, im Nu entstand ein freier Raum um eine Gestalt, die sich mit beiden Händen auf etwas stützte, nein, es anhob. In Anschlag brachte, ein Gewehr.

22. Kapitel
 
    Ein weiteres dieser abgehackten, unauffälligen Geräusche. Ein Schuss aus einer Waffe mit Schalldämpfer oder vom allgemeinen Pandämonium verschluckt. Aber als ich es hörte, hatte ich mich bereits auf Bowden gestürzt und ihn umgestoßen, und der explosive Einschlag der Kugel in die Mauer hinter ihm war lauter als der Schussknall. Steinsplitter spritzten. Ich hörte und spürte Bowdens schnaufende Atemzüge, während ich auf ihm lag, sein Handgelenk umklammerte und zudrückte, bis er seine Pistole fallen ließ. Dabei hielt ich ihn nieder und aus der Schusslinie des Scharfschützen, der es auf ihn abgesehen hatte.
    »Auf den Boden! Alles runter auf den Boden!« Kaum zu glauben, wie langsam die Leute reagierten, bis die Erkenntnis, dass sie in Lebensgefahr schwebten, um sich griff und sie schreiend und lamentierend niedersanken wie umgemäht. Ein Schuss und noch einer, ein Auto bremste quietschend, mit plärrender Hupe, erneut der dumpfe Einschlag einer Kugel in Mauerwerk.
    Ich drückte Bowden eisern auf den Asphalt. »Tyad!« Dhatts Stimme.
    »Was ist los bei dir?«, rief ich. Überall waren Grenzschützer, die MP im Anschlag, suchten mit Blicken den Raum ab, riefen sich gegenseitig unsinnige Befehle zu.
    »Ich bin getroffen, aber halb so schlimm. Yolanda hat einen Kopfschuss.«
    Es flogen keine Kugeln mehr. Ich richtete mich etwas auf und schaute zu der Stelle, wo Dhatt sich wälzte und eine Hand gegen die Schulter presste und Yolanda am Boden lag und sich nicht mehr rührte. Hob den Oberkörper etwas weiter an und sah, dass Militsya zu Dhatt hinlief und zu der Toten, die er bewachte, sah hinter den Grenzstationen die Policzai sich durch die hysterische Menschenmenge drängen, dorthin, wo die Schüsse hergekommen waren. Corwi auf ihrem erhöhten Standort spähte nach Ul Qoma hinüber - konnte sie mich sehen? Ich rief ihren Namen. Der Heckenschütze war auf der Flucht.
    Auch er musste sich durch das Gedränge arbeiten, gebrauchte aber, wo kein Durchkommen war, sein Gewehr als Keule, und die Leute machten ihm Platz. Man

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