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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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damit hat Mahalia sich beschäftigt«, erklärte Mrs. Geary. »Das hat sie studiert. Das war das Thema ihrer Doktorarbeit.« Ihr Mann lächelte schief, nachsichtig, stolz, überfordert. »Sie war richtig gut. Sie hat uns ein bisschen darüber erzählt. Mir kam es vor, als wäre Orciny fast das gleiche wie Ahndung.«
    »Sie war davon fasziniert«, sagte Mr. Geary. »Seit sie zum ersten Mal hier war.«
    »Das stimmt, zuerst war sie hier. Ich meine hier, Besźel, richtig? Zuerst war sie hier, aber sie sagte, sie müsste nach Ul Qoma gehen. Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Inspektor, ich dachte, das wäre alles ein und dasselbe. Damals wusste ich es nicht besser. Sie brauchte eine spezielle Genehmigung, aber weil sie Studentin ist - war -, durfte sie dort wohnen und arbeiten.«
    »Orciny ... das ist eine Art Volksmärchen«, klärte ich Thacker auf. Mahalias Mutter nickte, ihr Vater schaute zur Seite. »Und die Ähnlichkeit mit Ahndung ist höchstens oberflächlich. Ahndung ist real. Eine Macht. Aber Orciny ist ...« Ich zögerte.
    »Die dritte Stadt«, erklärte Corwi Thacker, dem Orciny scheinbar überhaupt nichts sagte, auf Besź. Als er immer noch nicht zu begreifen schien, fügte sie hinzu: »Ein Geheimnis. Ein Märchen. Zwischen den anderen beiden.« Er schüttelte den Kopf und hob die Augenbrauen, mäßig interessiert, Aha.
    »Sie liebte diese Stadt«, seufzte Mrs. Geary mit sehnsüchtiger Miene. »Ich meine, Verzeihung, ich meine Ul Qoma. Ist das weit von hier, wo sie gewohnt hat?« Von außen betrachtet, reinräumlich, um den nur in Besźel und Ul Qoma existierenden Ausdruck zu verwenden, nein. Die Frage war kompliziert, und weder Corwi noch ich hatten Lust, die ebenso komplizierte Antwort zu geben. »Sie hat sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt, seit ihr irgendwann ein Buch über die Städte in die Hände gefallen ist. Ihre Professoren schienen immer zu finden, dass sie bei ihrer Arbeit Hervorragendes leistete.«
    »Mochten Sie ihre Professoren?«
    »Ach, ich habe sie nie persönlich kennengelernt, aber May hat mir einiges von ihrer gemeinsamen Arbeit gezeigt. Sie zeigte mir eine Website des Projekts und den Platz, wo sie arbeitete.«
    »Unter der Leitung von Professor Nancy?«
    »Das war ihre Studienberaterin, ja. Mahalia mochte sie gern.«
    »Sie haben gut zusammengearbeitet?« Ich spürte Corwis Blick auf mir, als ich die Frage stellte.
    »Ach, ich weiß nicht.« Mrs. Geary stieß sogar ein kleines Lachen aus. »Ich hatte den Eindruck, dass sie die ganze Zeit miteinander stritten. Sie schienen nur selten einer Meinung zu sein, aber wenn ich fragte, was soll denn dabei herauskommen, hat Mahalia mich beruhigt, das wäre in Ordnung. Sie sagte, sie wären gern verschiedener Meinung. Diskussionen wären befruchtend für den forschenden Geist.«
    »Haben Sie sich über die Arbeit Ihrer Tochter informiert?«, erkundigte ich mich. »Haben Sie ihre Aufsätze gelesen? Hat sie Ihnen von ihren Freunden in Ul Qoma erzählt?« Corwi rutschte auf ihrem Stuhl herum. Mrs. Geary schüttelte den Kopf.
    »Nein.«
    »Inspektor«, meldete sich Thacker.
    »Diese Sachen, mit denen sie sich beschäftigte, das war nichts ... dafür konnte ich kein rechtes Interesse aufbringen, Mr. Borlú. Ich meine, seit sie hier war, haben wir mehr auf Artikel über Ul Qoma in der Zeitung geachtet, und natürlich habe ich sie gelesen. Doch solange Mahalia glücklich war, war ich ... waren wir glücklich. Glücklich, dass unsere Tochter tun konnte, was ihr Freude machte.«
    »Inspektor.« Thacker war beharrlich. »Wann, glauben Sie, können wir mit den Transferpapieren rechnen?«
    »Bald, vermute ich. Und das war sie? Glücklich?«
    »Schon ... Natürlich gab es auch unangenehme Episoden.«
    Ihr Vater nickte. »Ja.«
    »Neulich erst«, sagte Mrs. Geary.
    »Ach?« Ich setzte eine Miene auf, die lebhaftes Interesse bekundete und, so hoffte ich, zum Weiterreden aufforderte.
    »Nun ja, es war kein Drama, aber in letzter Zeit wirkte sie gestresst. Ich sagte ihr, sie solle sich ein paar Tage Urlaub gönnen und nach Hause kommen. Ich weiß, nach Hause kommen klingt nicht wie Urlaub, aber Sie verstehen, was ich meine. Doch sie antwortete, dass sie nicht weg kann, dass sie grade große Fortschritte macht, dass sie vor einem Durchbruch in ihrer Arbeit steht.«
    »Und einige Leute fühlten sich ganz schön angepisst deswegen«, fügte Mr. Geary hinzu.
    »Schatz!«
    »War doch so. Sie hat es uns erzählt.«
    Corwi schaute mich verdutzt an. »Mr. und Mrs.

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