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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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dass sie fast ihre ganze Zeit darauf verwandte, war sie etwas dünn. Was Querverweise anging, Quellenangaben und was der Dinge mehr sind. Als ich sie darauf hinwies, hat sie mir versichert, dass sie noch Material nachreichen würde.«
    »Kann ich die Arbeit sehen?«
    »Ja.« Sie war verblüfft. »Oder ... Das heißt ... Ich weiß nicht. Ich muss prüfen, ob das vom ethischen Standpunkt aus vertretbar ist. Bei mir liegen die Kapitel, die sie mir gegeben hat, aber das sind mehr oder weniger Entwürfe, sie wollte sie noch ausarbeiten. In der endgültigen Fassung wären sie öffentlich zugänglich und wir hätten kein Problem, aber so ... Kann ich Sie zurückrufen? Wahrscheinlich hätte Mahalia einige davon in den entsprechenden Fachzeitschriften veröffentlichen sollen, wie es Usus ist, aber sie hat es nicht getan. Auch darüber haben wir gesprochen; sie meinte, sie würde in der Richtung etwas unternehmen.«
    »Was ist ein Bowdenit, Professor Nancy?«
    »Oh.« Sie lachte. »Tut mir leid. Da geht es um die Quelle dieser Orciny-Geschichte. Der arme David wäre zusammengezuckt, wenn er gehört hätte, dass ich den Begriff benutze. Man bezeichnet damit jemanden, der vom Frühwerk David Bowdens inspiriert ist. Kennen Sie seine Arbeit?«
    »... Nein.«
    »Er hat vor vielen Jahren ein Buch geschrieben. Zwischen der Stadt und der Stadt. Klingelt was? Ein große Sache für die späten Blumenkinder. Das erste Mal seit einer Generation, dass jemand Orciny ernst genommen hatte. Kein Wunder, dass Sie von dem Buch noch nie gehört haben, es steht immer noch auf dem Index. In Besźel wie in Ul Qoma. Man findet es nicht einmal in Universitätsbibliotheken. In mancher Hinsicht war es ein brillantes Werk. Er hat einige staunenswerte archivalische Nachforschungen angestellt und Analogien und Zusammenhänge entdeckt, die bis heute als, nun ja, bemerkenswert gelten. Doch alles in allem war es ein ziemlich hanebüchenes Geschreibsel. Spinnerei.«
    »Wieso?«
    »Weil er daran geglaubt hat! Er hat all diese Hinweise zusammengetragen, neue gefunden, daraus eine Art Ur-Mythos gestrickt und diesen als die Geschichte eines Geheimnisses und dessen Vertuschung uminterpretiert. Er ... Okay, ich muss hier ein bisschen vorsichtig sein, weil ich niemals, nicht wirklich dachte, dass er von der Existenz Orcinys überzeugt wäre. Ich nahm an, es wäre eine Art Spiel, aber das Buch ließ keinen Zweifel daran, dass er es ernst meinte. Er kam nach Ul Qoma, reiste von dort nach Besźel, brachte es fertig, zwischen die beiden zu dringen, nicht nur einmal, sondern mehrere Male, aber immer völlig legal, versichere ich Ihnen, und er behauptete, wahrhaftig Spuren von Orciny gefunden zu haben. Er ging sogar noch weiter, er sagte, Orciny wäre nicht nur ein Ort, der in den Räumen zwischen Qoma und Besźel existiert hatte, seit der Gründung der beiden Städte oder ihrem Zusammenwachsen oder ihrer Teilung, suchen Sie sich aus, was Ihrer Überzeugung am nächsten kommt, sondern er behauptete, es existiere nach wie vor.«
    »Orciny?«
    »Exakt. Eine geheime Kolonie. Eine Stadt zwischen den Städten, deren Bewohner sich ganz unverhohlen unter uns bewegen.«
    »Wie? Und tun was?«
    »Unsichtbar wie Qomani für Besź und umgekehrt. Bewegen sich unter uns, die wir keine Augen haben zu sehen, und schauen ihrerseits auf beide Städte. Dazwischen. Und was sie tun, wer weiß? Geheime Agenda. Ich bin sicher, auf den Websites für Verschwörungstheorien wird immer noch darüber diskutiert. David verkündete damals, er würde ins Dazwischen gehen und verschwinden.«
    »Allerhand.«
    »Kann man wohl sagen. Es ist allgemein bekannt. Googeln Sie danach, und Sie werden von Treffern erschlagen. Als wir Mahalia kennenlernten, war sie noch eine eingefleischte Anhängerin von Davids Thesen. Ich mochte sie, weil sie couragiert war, und Bowdenit oder nicht, sie hatte Schwung und Grips. Aber das Ganze war Fantasy oder meinetwegen Science-Fiction, verstehen Sie. Ich habe mich sogar gefragt, ob sie es wusste, ob sie sich quasi zum Vergnügen diese Marotte gönnte.«
    »Aber sie hat nicht mehr in dieser Richtung geforscht?«
    »Kein Professor mit Reputation würde sich für einen Bowdeniten als Doktorvater hergeben. Oder als Doktormutter. Ich hatte diesbezüglich ein ernstes Gespräch mit ihr, aber sie lachte sogar. Versicherte mir, sie hätte den Kinderkram längst hinter sich gelassen. Wie gesagt, ich war erstaunt, dass sie sich an mich wandte. Meine Arbeit ist nicht so Avantgarde wie

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