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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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geschaffenen Grenze, indem sie nicht von Wölfen sprechen.
    Ich hatte einmal zwei verjagt, die sich in dem Hof hinter dem Mietshaus, in dem ich wohne, an den Mülltonnen zu schaffen machten. Ich hatte etwas nach ihnen geworfen. Sie hatten ungewöhnlich gut ausgesehen, glatt und glänzend, und viele meiner Nachbarn zeigten sich schockiert, als hätte ich Grenzbruch begangen.
    Die meisten der Qomanisten, wie Isabelle Nancy sich und die mit ihr in Bol Ye'an tätigen Kollegen bezeichnete, existierten an zwei Orten gleichzeitig. Sie gestand es mit hörbar schlechtem Gewissen, betonte wieder und wieder, dass durch eine bis dato unerklärliche Laune der Geschichte die ergiebigeren archäologischen Fundstätten in Gegenden lagen, die total Ul Qoma waren oder in deckungsgleichen Zonen mit mehr als fünfzig Prozent Ul-Qoma-Anteil. Die Prince of Wales unterhielt Arrangements auf Gegenseitigkeit mit mehreren qomanischen Hochschulen. David Bowden lebte den größten Teil jedes Jahres in Ul Qoma und immer seltener in Kanada. Auch jetzt hielt er sich in Ul Qoma auf. Er hatte, erzählte sie mir, nur wenige Studenten und war von seiner Lehrtätigkeit nicht übermäßig in Anspruch genommen. Trotzdem konnte ich ihn unter der Nummer, die sie mir genannt hatte, nicht erreichen.
    Stöbern im Internet. Für das meiste, was Isabelle Nancy mir erzählt hatte, fand ich die Bestätigung. Ich stieß auf eine Seite, die den Titel von Mahalias Dissertation verzeichnete. Man hatte ihren Namen noch nicht gelöscht und auch keinen der Online-Nachrufe ins Netz gestellt, die garantiert bald allenthalben sprießen würden. Des weiteren fand ich die Liste der Publikationen von Isabelle Nancy wie auch die von David Bowden. Die seine umfasste das von Professor Nancy erwähnte Buch zu Orciny aus dem Jahr 1975, zwei Aufsätze aus etwa derselben Zeit, noch einen zehn Jahre später, dann hauptsächlich Zeitungsartikel, teils in einem Sammelband zusammengefasst.
    Ich stieß auf fracturedcity.org, die Hauptdiskussionsseite für die leicht abgedrehten Doppelurbanologen zwecks Kultivierung ihrer Ul-Qoma-und-Besźel-Besessenheit. Dass die Seite sich erfrechte, die beiden als ein einziges Studienobjekt zu betrachten, hätte eigentlich in beiden Städten helle Entrüstung auslösen müssen, doch nach den Beiträgen im Forum zu urteilen, wurde sie fleißig, wenn auch etwas außerhalb der Legalität, von Besź wie Qomani frequentiert. Von dort ausgehend, gelangte ich über Links (frech und voller Vertrauen in die Langmut oder Inkompetenz unserer und der qomanischen Zensoren, hatten sehr viele davon Adressen, die mit .up und .zb endeten) zu Auszügen aus Zwischen der Stadt und der Stadt. Der Inhalt entsprach dem, was Isabelle Nancy angedeutet hatte.
    Beim Klingeln des Telefons schrak ich zusammen. Ich merkte, dass es dunkel geworden war, nach neunzehn Uhr.
    »Borlú.« Ich lehnte mich zurück.
    »Inspektor? Verdammt, Sir, wir sitzen in der Scheiße. Ceczora am Apparat.« Agim Ceczora war einer der Beamten, die im Hotel auf Mahalias Eltern aufpassen sollten. Ich rieb mir die Augen und kontrollierte meinen Mail-Eingang, ob ich irgendwelche Nachrichten übersehen hatte. Im Hintergrund hörte ich Lärm, Tumult. »Sir, Mr. Geary ... er hat sich ohne Erlaubnis aus dem Hotel entfernt, Sir. Er ... verflucht, er hat Grenzbruch begangen.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Er hat unbemerkt sein Zimmer verlassen, Sir.« Im Hintergrund eine aufgeregte Frauenstimme.
    »Was zum Teufel ist passiert?«
    »Ich weiß verdammt noch mal nicht, wie er an uns vorbeigekommen ist, ohne dass wir was gemerkt haben, ich kann's mir nicht erklären. Aber er ist nicht weit gekommen.«
    »Woher wissen Sie das? Wie habt ihr ihn gefunden?«
    Ceczora fluchte wieder.
    »Wir haben ihn nicht gefunden, sondern Ahndung. Ich rufe aus dem Auto an, Sir, wir sind unterwegs zum Flughafen. Unter der Aufsicht von Ahndung. Die beobachten uns von irgendwo. Sie haben uns Anweisungen gegeben, was wir tun sollen. Was Sie da hören, ist Mrs. Geary. Mr. Geary muss Besźel verlassen. Sofort.«
 
    Corwi war weg, und sie ging nicht ans Telefon. Ich nahm mir einen neutralen Dienstwagen vom Hof, ließ aber die Sirene glucksen, damit ich ohne Rücksicht auf die Verkehrsregeln Gas geben konnte. (Die Straßenverkehrsordnung ist einer der Kompromissbereiche, bei dem der Kontrollausschuss auf eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Vorschriften in Besźel und Ul Qoma bedacht ist. Die Verkehrskultur ist nicht identisch, doch den

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