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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Schutz dienen sollten? Wie hat er unbemerkt das Hotel verlassen können? Wo wollte er hin?«
    Ihr Kinn zitterte. Sie sah aus, als würde sie gleich wieder anfangen zu weinen, aber dann richtete sie den Blick auf ihren reglos daliegenden Mann, und ihre Haltung straffte sich. Mrs. Geary hob den Kopf und schaute mir mit klarem Blick ins Gesicht.
    »Er war in der Air Force«, sagte sie. »Sehen Sie in ihm nur einen dicken alten Mann?« Sie berührte ihn zärtlich. »Sie haben uns nie gefragt, wer nach unserer Meinung unsere Tochter ermordet haben könnte, Inspektor. Ich weiß nicht, was ich von Ihnen halten soll, ich weiß es wirklich nicht. Wie mein Mann sagte, Sie glauben, wir hätten keinen Verdacht?« Sie spielte mit einem Zettel, faltete ihn auseinander und wieder zusammen, ohne einen Blick darauf zu werfen, nahm ihn aus einem Seitenfach ihrer Handtasche, steckte ihn wieder hinein. »Glauben Sie, unsere Tochter hat uns nichts erzählt? Die Qoma Vor, Rechte Bürger, Nat Block ... Mahalia hatte Angst, Inspektor.
    Wir wissen noch nicht, wer was getan hat, und wir wissen nicht, warum, aber Sie fragen, wo er hinwollte, mein Mann? Er wollte es herausfinden. Ich habe ihm gesagt, dass er nichts erreichen wird, wo er doch die Sprache nicht beherrscht. Aber er hatte Adressen, aus dem Internet, wissen Sie, und einen Sprachführer, und sollte ich ihn aufhalten? Ihm sagen, geh nicht? Ich bin so stolz auf ihn. Diese Leute haben Mahalia gehasst, seit Jahren, seit sie zum ersten Mal hier war.«
    »Aus dem Internet?«
    »Und ich meine hier, Besźel. Sie war bei der Konferenz damals. Dann in Ul Qoma wieder, genau dasselbe. Wollen Sie mir einreden, dass es da keinen Zusammenhang gibt? Sie wusste, dass sie sich Feinde gemacht hatte, sie hat uns erzählt, dass sie sich Feinde gemacht hat. Als sie anfing, sich für Orciny zu interessieren, brachte sie Leute gegen sich auf. Und es wurde schlimmer, je weiter sie mit ihren Nachforschungen kam. Alle hassten sie wegen ihrer Arbeit. Und sie war sich darüber im Klaren.«
    »Wer hat sie gehasst?«
    »Die alle.«
    »Und weshalb?«
    Sie schüttelte den Kopf, schien kleiner zu werden. »Das wollte mein Mann ja herausfinden.«
    Er war aus einem Badezimmerfenster im Parterre geklettert, um von den im Foyer postierten Aufpassern nicht gesehen zu werden. Ein paar Schritte über die Straße - nur ein lässlicher Verstoß gegen die in seinen Augen unverbindlichen Verhaltensmaßregeln, die wir ihm gegeben hatten. Doch er stolperte aus einer Deckungsgleiche in eine externe Zone, einen Hof, der nur in Ul Qoma existierte, und Ahndung, das ihn und seine Frau wahrscheinlich seit dem Augenblick ihrer Ankunft beobachtete, hatte zugeschlagen. Ich hoffte, man war halbwegs gnädig mit ihm gewesen, denn ich hätte wetten mögen, dass sich zu Hause kein Arzt finden ließ, der das für seinen Zustand verantwortliche Agens identifizieren konnte. Was sollte ich sagen?
    »Ich bedaure, was passiert ist, Mrs. Geary. Ihr Mann hätte nicht versuchen sollen, Ahndung auszutricksen. Ich ... Wir stehen auf derselben Seite.« Sie fixierte mich mit argwöhnischer Zurückhaltung.
    Dann flüsterte sie: »Wenn das so ist, worauf warten wir dann noch? Wir können zu Fuß in die Stadt zurückgehen. Wir haben Geld. Wir ... mein Mann, er verliert den Verstand. Er muss es wissen. Wir werden wiederkommen. Über Ungarn oder die Türkei oder Armenien - wir finden einen Weg. Wir müssen wissen, wer unser Kind getötet hat.«
    »Mrs. Geary, Ahndung beobachtet uns auch jetzt, in diesem Moment.« Ich hob langsam die offenen Hände, füllte sie mit Luft. »Sie würden keine zehn Meter weit kommen. Was glauben Sie denn, erreichen zu können? Sie sprechen kein Besź, kein Illit. Ich ... Überlassen Sie das mir, Mrs. Geary. Lassen Sie mich meine Arbeit tun, für Sie und Ihren Mann. Für Ihre Tochter.«
 
    Mr. Geary war immer noch bewusstlos, als die Passagiere aufgefordert wurden, an Bord der Maschine zu gehen. Mrs. Geary schaute mich an, Vorwurf und Hoffnung im Blick, und ich bemühte mich nochmals, ihr zu erklären, dass ich absolut nichts tun konnte, dass Mr. Geary sich alles selbst zuzuschreiben hatte.
    Außer uns gab es nicht viele Passagiere. Ich fragte mich, wo Ahndung sich versteckt hielt. Unsere Pflicht wäre erfüllt, sobald sich die Flugzeugtüren schlossen. Mrs. Geary ging neben der Trage ihres Mannes und stützte seinen hin- und herrollenden Kopf. In der Flugzeugtür, wo das Personal bereitstand, um die Gearys zu ihren Plätzen zu

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