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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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zufällig«, sagte er. »Oben wohnte früher bis zu ihrem seligen Hinscheiden ein Ex-Panther.« Dhatts und meine Miene signalisierten Nichtverstehen. »Ein Black Panther, hat sich abgesetzt, nachdem Fred Hampton ermordet wurde. China, Kuba, Ul Qoma waren beliebte Ziele. Als ich seinerzeit hierherkam, war das so: Wenn dein von der Regierung beauftragter Integrationshelfer dir sagte, da und da ist eine Wohnung frei, dann hast du sie genommen, und verdammt will ich sein, wenn die Häuser, in denen man uns unterbrachte, nicht alle voller Ausländer waren.
    Na ja, wir konnten uns gegenseitig vorjammern, was wir aus der Heimat vermissten. Kennen Sie Marmite? Nein? Dann haben Sie offenbar nie einen britischen Spion im Exil getroffen.« Er schenkte Dhatt und mir ungefragt ein Glas Rotwein ein. Wir unterhielten uns auf Illit. »Das ist viele Jahre her, muss man bedenken. Ul Qoma lag wirtschaftlich noch hinter den sieben Bergen. Es musste auf Effizienz bedacht sein. In jedem der Häuser wohnte immer auch ein Qomani. Viel einfacher für eine einzelne Person, soundso viele ausländische Besucher im Auge zu behalten, wenn sie alle an einem Ort versammelt sind.«
    Dhatt fing Bowdens Blick auf, hielt ihn fest. Fick dich, diese Eröffnungen beeindrucken mich nicht im mindesten, sagte sein Gesichtsausdruck. Bowden lächelte ein wenig verschämt.
    »War das nicht etwas unhöflich?«, gab ich zu bedenken. »Geehrte Gäste, Freunde bespitzeln zu lassen?«
    Bowden nickte. »Der ein oder andere mag das so empfunden haben. Die Philbys von Ul Qoma, die echten Sympathisanten, waren, könnte ich mir vorstellen, ziemlich verschnupft. Andererseits waren sie diejenigen, die sich ohne Protest in alles fügten. Ich hatte nichts dagegen, beobachtet zu werden. Sie hatten Gründe, misstrauisch zu sein.« Er nahm einen Schluck Wein. »Wie kommen Sie mit Zwischen voran, Inspektor?«
    Seine Wände waren beige und braun gestrichen, und auch wenn sie hinter Bücherregalen und Büchern und Kunsthandwerk aus Ul Qoma und Besźel und historischen Karten beider Städte größtenteils verborgen blieben, konnte man sehen, dass ihnen etwas frische Farbe gutgetan hätte. Auf waagerechten Flächen drängelten sich Figürchen und Trümmer antiker Gefäße, Miniatur-Räderwerke. Das Wohnzimmer war nicht groß und auf Grund dieser Überfülle für jemanden mit Klaustrophobie kein empfehlenswerter Aufenthaltsort.
    »Sie waren hier, als Mahalia ermordet wurde?«, begann Dhatt mit der Befragung.
    »Ich habe kein Alibi, falls Sie das wissen wollen. Meine Nachbarin hat mich vielleicht rumoren gehört, ich weiß es nicht. Fragen Sie sie.«
    »Wie lange wohnen Sie schon hier«, fragte ich. Dhatt schob die Unterlippe vor, schaute mich nicht an.
    »Meine Güte, seit Jahren.«
    »Und warum hier?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Soweit ich das beurteilen kann, haben Sie hier ungefähr zu gleichen Teilen Stücke aus Besźel wie aus Ul Qoma.« Ich deutete auf eine der vielen antiken oder reproduzierten Besź-Ikonen. »Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb Sie sich hier niedergelassen haben und nicht in Besźel? Oder ganz woanders?«
    Bowden hob die Hände, kehrte sie mit der Innenfläche nach oben.
    »Ich bin Archäologe. Ich weiß nicht, wie gut Sie sich auf dem Gebiet auskennen. Die meisten Artefakte, die das Anschauen lohnen, inklusive diejenigen, bei denen man auf den ersten Blick glauben könnte, sie seien in Besźel angefertigt worden, stammen aus der Erde Ul Qomas. So ist es von Anfang an gewesen. Besźels idiotische Bereitwilligkeit, die spärlichen Zeugnisse seiner Vergangenheit, die es aus dem Boden pulen konnte, an den erstbesten Interessenten zu verhökern, hat die Situation nicht verbessert. Ul Qoma hat sich von jeher besser darauf verstanden, sein Erbe zu verwalten.«
    »Auch was Bol Ye'an betrifft?«
    »Sie meinen, weil die Ausgrabung unter ausländischer Leitung steht? Selbstverständlich. Nominell gehört den Kanadiern kein Krümel davon, keine Scherbe. Sie besitzen lediglich einige Rechte, was Restaurierung und Katalogisierung angeht. Plus dem Prestige, welches ihnen daraus erwächst und aus den damit in Zusammenhang stehenden wissenschaftlichen Arbeiten. Nicht zu vergessen das Anrecht, mit Fundstücken und Vorträgen durch die Museen zu touren. Die Kanadier könnten nicht glücklicher sein über den US-Boykott, sage ich Ihnen. Möchten Sie mal ein sehr leuchtendes Grün sehen? Erzählen Sie einem amerikanischen Archäologen, dass Sie in Ul Qoma arbeiten. Kennen

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