Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
Sie Ul Qomas Exportbeschränkungen für historische Artefakte?« Er ballte die Hände zu Fäusten. »Jeder Wissenschaftler, der sich Ul Qoma oder Besźel zum Thema erkoren hat, ganz zu schweigen von dem Präkursor-Zeitalter, kommt hierher, falls er eine Genehmigung ergattern kann.«
    »Mahalia war US-Amerikanerin ...«, wandte Dhatt ein.
    »Studentin. Nach dem Abschluss ihrer Doktorarbeit hätte sie Probleme gehabt, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern.«
    Ich war aufgestanden, warf einen Blick in Bowdens Arbeitszimmer. »Darf ich ...« Ich zeigte durch die Tür nach drinnen.
    »Ich ... Ja. Natürlich.« Die Enge des Kämmerchens schien ihm peinlich zu sein. Tatsächlich war es, falls möglich, noch vollgestopfter mit dem Krimskrams der Vorzeit als das Wohnzimmer. Sein Schreibtisch bildete eine eigene Stratigrafie aus fliegenden Blättern, Computerkabeln, einer Straßenkarte Ul Qomas, zerlesen und veraltet. In dem Durcheinander von Schriftstücken waren einige bedeckt mit fremdartigen und sehr, sehr alten Schriftzeichen, weder Illit noch Besź, Präszission. Für mich Kryptografie.
    »Was ist das?«
    »Ach ...« Er verdrehte die Augen. »Das kam gestern Vormittag. Ich kriege immer noch so etwas wie Fanpost. Seit Zwischen. Man schickt mir irgendein absurdes Gekrakel und behauptet, es wäre die Schrift von Orciny. Ich soll sie für sie entschlüsseln. Wahrscheinlich glauben die armen Irren tatsächlich, dass sie auf etwas gestoßen sind.«
    »Können Sie das da entziffern?«
    »Machen Sie Witze? Nein. Das bedeutet gar nichts.« Er schloss die Tür. »Nichts Neues von Yolanda?«, fragte er. »Ihr Verschwinden ist außerordentlich beunruhigend.«
    »Ich fürchte, nein«, antwortete Dhatt. »Die Vermisstenabteilung bearbeitet diesen Fall. Die Kollegen sind sehr tüchtig. Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen.«
    »Wir müssen Sie unbedingt finden. Ich bin ... Es ist wichtig.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wer irgendeinen Groll gegen sie hegen könnte? Gegen Yolanda?«
    »Yolanda? Großer Gott, nein, sie ist bezaubernd. Mir fällt niemand ein. Mahalia war etwas anders. Ich meine ... Mahalia war ... Was ihr zugestoßen ist, ist furchtbar, ein abscheuliches Verbrechen. Sie war intelligent, sehr intelligent und eigensinnig und mutig, und es ist nicht ganz so ... Will sagen, ich kann mir vorstellen, dass jemand einen Rochus auf sie gehabt hat. So war sie. Sie war dieser Typ Mensch, und ich meine das als Kompliment. Doch man musste sich immer Sorgen machen, dass Mahalia irgendwann dem Falschen auf die Zehen treten könnte.«
    »Jemand Speziellem?«
    »Niemand Speziellem, Detective, ganz allgemein gesprochen. Wir hatten nicht viel Kontakt, Mahalia und ich. Ich kannte sie kaum.«
    »Kleiner Campus«, bemerkte ich. »Bestimmt kennt hier jeder jeden.«
    »Richtig. Ehrlich gesagt, ich bin ihr aus dem Weg gegangen. Wir hatten seit langem kein Wort miteinander gewechselt. Gleich unsere erste Begegnung verlief etwas unglücklich, und dementsprechend herrschte danach Funkstille. Doch Yolanda kenne ich gut. Und sie ist ganz anders. Vielleicht nicht so klug, dafür kenne ich niemanden, der sie nicht leiden mag, und kann mir nicht vorstellen, weshalb irgendjemand ihr etwas antun sollte. Alle sind in Sorge um sie. Auch die Einheimischen, die in Bol Ye'an arbeiten.«
    »Wären die auch wegen Mahalia in Sorge gewesen?«, fragte ich.
    »Ich glaube nicht, dass einer von ihnen wusste, wer sie war.«
    »Scheinbar doch. Einer vom Sicherheitspersonal. Ein junger Mann, er hat sich bei uns nach ihr erkundigt. Nach Mahalia. Ich dachte, er könnte ihr Freund sein.«
    »Ein junger Mann vom Sicherheitspersonal? Auf keinen Fall. Tut mir leid, das klang jetzt ziemlich kategorisch. Ich meinte, ich wäre überrascht. Sehr. Wie ich Mahalia kenne.«
    »Nicht besonders gut, wie Sie selbst sagen.«
    »Richtig. Doch ob man will oder nicht, man bekommt mit, wer was tut, welche Studenten sich wie verhalten. Einige von ihnen - auch Yolanda - verkehren durchaus mit den Leuten von hier, auch mit den Wachen, aber nicht Mahalia. Sie geben mir Bescheid, wenn Sie etwas über Yolanda erfahren? Auch dann, wenn Sie nur eine Theorie haben, wo sie sich aufhalten könnte, bitte. Diese Ungewissheit ist kaum zu ertragen.«
    »Sie sind Yolandas Doktorvater? Was ist das Thema ihrer Dissertation?«
    »Oh.« Er wedelte mit der Hand. »›Die Darstellung des Geschlechtes und des Fremden in Artefakten des Präkursor-Zeitalters‹. Ich bevorzuge nach wie vor den Terminus Präszission,

Weitere Kostenlose Bücher