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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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für uns?«
    »Sie wollen wissen, ob wir den Mörder Ihrer Tochter gefasst haben? Es tut mir leid, Mrs. Geary, wir ermitteln noch. Ich möchte Sie fragen ...« Ich wartete, aber sie legte nicht auf, sagte nichts. »Hat Mahalia Ihnen gegenüber je erwähnt, dass sie sich hier mit jemandem trifft? Einem Freund?«
    Sie stieß einen erstickten Laut aus, dem ich nichts entnehmen konnte. Ich ließ einige Sekunden verstreichen, dann fuhr ich fort: »Kennen Sie Yolanda Rodriguez? Und warum wollte Mr. Geary ausgerechnet zu den Nationalisten Besźels? Als er Grenzbruch beging? Mahalia wohnte in Ul Qoma.«
    Wieder dieses Geräusch, und ich begriff, dass sie weinte. Ich öffnete den Mund, wollte weitersprechen, doch ihr Kummer machte mich stumm. Zu spät fiel mir ein, als der letzte Rest Schlaftrunkenheit verflog und mein Kopf klarer wurde, dass ich diesen Anruf besser von einem anderen Telefon getätigt hätte, falls Corwis und mein Verdacht bezüglich der sicheren Leitung begründet sein sollte. Da Mrs. Geary die Verbindung nicht unterbrach, sagte ich nach einer Weile ihren Namen.
    »Weshalb wollen Sie von mir etwas über Yolanda wissen?«, fragte sie endlich. Sie hatte ihre Stimme wieder in der Gewalt. »Selbstverständlich habe ich Yolanda kennengelernt, sie ist Mahalias Freundin. Ist sie ...«
    »Wir versuchen, ihren Aufenthaltsort zu ermitteln, aber ...«
    »Um Himmels willen, wird sie vermisst? Mahalia hatte keine Geheimnisse vor ihr. Könnte das damit zu tun haben? Hat man sie ...?«
    »Bitte machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Geary. Ich versichere Ihnen, nichts weist darauf hin, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Vielleicht gönnt sie sich nur eine Auszeit.« Wieder wollte das Schluchzen sie übermannen, aber sie fasste sich.
    »Man hat auf dem Rückflug kaum ein Wort mit uns gesprochen«, berichtete sie. »Kurz vor der Landung ist mein Mann wieder zu Bewusstsein gekommen und hat begriffen, was passiert ist.«
    Ich sagte: »Mrs. Geary, hat Mahalia hier mit jemandem eine engere Beziehung unterhalten? Abgesehen von Yolanda. Ihres Wissens? In Ul Qoma, meine ich.«
    »Nein.« Es klang wie ein Seufzer. »Sie werden jetzt denken: ›Woher soll ihre Mutter das wissen‹, aber ich wüsste es. Sie hat mir keine Einzelheiten erzählt, aber sie ...« Wieder musste sie um Fassung ringen. »Da gab es jemanden, mit dem sie öfter zusammen war, aber sie mochte ihn nicht auf diese Weise. Sie sagte, es wäre zu kompliziert.«
    »Kennen Sie seinen Namen?«
    »Glauben Sie nicht, dass ich Ihnen das längst gesagt hätte? Ich weiß nicht, wie er heißt. Sie hat ihn durch die Politik kennengelernt, wenn ich sie recht verstanden habe.«
    »Sie haben die Qoma Vor erwähnt.«
    »Ach, mein Mädchen hat sie alle auf die Palme gebracht.« Sie lachte ein wenig. »Wohin sie kam, erregte sie die Gemüter. Sogar die der Einheitsapostel, wie sie sie nannte. Michael wollte mit ihnen reden. Es war leichter, Namen und Adressen in Besźel herauszufinden, und nach Besźel sollten wir ja auch kommen. Er wollte sie aufspüren, der Reihe nach, weil ... einer von denen hat das getan.«
    Ich versprach ihr alles, worum sie mich bat, massierte meine Stirn und starrte auf Ul Qomas Silhouetten.
    Nicht lange genug danach riss mich ein Anruf von Dhatt aus dem Schlaf.
    »Liegen Sie noch im Bett? Auf, auf, raus aus den Federn!«
    »Wie lange brauchen Sie, bis ...«
    »Ich bin unten. Beeilen Sie sich, keine Müdigkeit vorschützen. Jemand hat eine Bombe geschickt.«

17. Kapitel
 
    In Bol Ye'an lungerten Männer vom Bombenentschärfungskommando Ul Qomas in ihrer klobigen Schutzkleidung vor dem winzigen Behelfs-Postraum herum und schwatzten Kaugummi kauend mit ehrfurchtsvollen Sicherheitsleuten. Das hochgeklappte Visier stand in rechtem Winkel von der Stirn ab.
    »Sie sind Dhatt? Alles cool, SD«, sagte einer von ihnen nach einem Blick auf Dhatts Rangabzeichen. »Sie können reingehen.« Nachdem er mich kurz gemustert hatte, öffnete er die Tür zu dem Raum, der kaum größer war als ein Wandschrank.
    »Wer hat sie entdeckt?«, fragte Dhatt.
    »Einer von den Sicherheitsjungs. Aufgewecktes Kerlchen. Aikam Tsueh. Ja? Was?« Keiner von uns sagte etwas, deshalb zuckte er die Schultern. »Sagt, es wäre ihm irgendwie nicht koscher vorgekommen, deshalb ging er zu den Militsya draußen und forderte sie auf, es sich anzusehen.«
    An den Wänden reihten sich Schränke mit den Sortierfächern für die eingehende Post, große braune Pakete, geöffnet wie ungeöffnet,

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