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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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ersteren und den Ausrufungszeichen und hingeworfenen Kommentaren in letzteren, Mahalia in leidenschaftlicher Auseinandersetzung mit ihren früheren Selbsten und dem Text. Die Marginalien waren ungleich interessanter und sogar erhellend für den, der sich die Mühe machte, sie zu entziffern. Zu guter Letzt legte ich auch sie zur Seite, um mich Bowdens Buch zu widmen.
    Zwischen der Stadt und der Stadt war tendenziös. Nicht zu leugnen. In Besźel und Ul Qoma gibt es Geheimnisse, Geheimnisse, von denen jeder weiß. Man musste nicht auch noch geheime Geheimnisse postulieren. Die alten Geschichten, die Mosaike und Halbreliefs, die Artefakte, auf die das Buch sich bezog, waren in einigen Fällen verblüffend - wunderschön und faszinierend. Der junge Bowden deutete einige der nach wie vor ungeklärten Mysterien des Präkursor- oder Präszission-Zeitalters auf eine Weise, die raffiniert war und sogar überzeugend. Da gab es zum Beispiel seine elegant untermauerte Behauptung, dass die unentschlüsselbaren Mechanismen, liebevoll »Ticktacks« genannt, gar keine Mechanismen waren, sondern kompliziert verschachtelte Kästen mit dem einzigen Zweck, die Räderwerke aufzunehmen, aus denen sie zusammengesetzt waren. Seine kühnen Schlussfolgerungen bezeichnete er heute als prekär und hanebüchen.
    Später, ich lag im Hotel im Bett und schlief, klingelte mein Handy. Es war mein Besź-Handy, das Display zeigte ein Auslandsgespräch an. Ein größerer Posten auf der Spesenabrechnung.
    »Borlú«, meldete ich mich.
    »Inspektor ...« Illit-Akzent.
    »Wer spricht da?«
    »Borlú, ich weiß nicht, warum Sie ... Ich kann nicht lange sprechen. Ich ... wollte mich bedanken.«
    »Jaris.« Ich richtete mich auf, schwang die Beine aus dem Bett. Der junge Unif. »Es ist ...«
    »Wir sind deswegen keine verdammten Kumpel.« Diesmal sprach er kein Alt-Illit, sondern seinen Alltagsjargon und so schnell, dass die Worte sich überstürzten.
    »Das hätte ich auch nicht angenommen.«
    »Gut. Ich kann nicht lange sprechen.«
    »Okay.«
    »Sie haben gemerkt, dass ich es war, ja? Der Sie in Besźel angerufen hat?«
    »Ich war mir nicht ganz sicher.«
    »Umso besser. Den verdammten Anruf hat's nie gegeben.« Ich sagte nichts. »Danke wegen neulich. Weil Sie mich nicht verpfiffen haben. Ich habe Marya kennengelernt, als sie von Besźel herüberkam.« Ich hatte seit langem an Mahalia nicht mehr unter diesem Namen gedacht, ihn nur noch einmal benutzt, als Dhatt die Unifs verhörte. »Sie erzählte mir, sie kennt unsere Brüder und Schwestern jenseits der Grenze, sie hätte mit ihnen zusammengearbeitet. Aber sie war keine von uns.«
    »Ich weiß. Sie haben mich auf diese Spur geführt ...«
    »Still, nicht darüber sprechen. Zuerst habe ich's geglaubt, aber was sie alles gefragt hat ... Wofür sie sich interessiert hat, das ahnt man nicht.« Ich ließ ihn das Wort aussprechen. »Orciny.« Wahrscheinlich deutete er mein Schweigen als ehrfürchtiges Staunen. »Sie hat sich keinen Furz für Unifikation interessiert. Sie hat uns alle in Gefahr gebracht, nur um an unsere Bücher und die Verzeichnisse unserer Informanten heranzukommen. Ich mochte sie wirklich, aber sie bedeutete Ärger. Ihr ging es nur um Orciny.
    Borlú, sie hatte es gefunden!
    Sind Sie noch dran? Begreifen Sie? Sie hatte es gefunden ...«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Von ihr selbst. Sie hat es nur mir gesagt, sonst keinem. Als wir erkannten, wie ... gefährlich sie war, durfte sie nicht mehr an unseren Treffen teilnehmen. Die anderen dachten, sie wäre, ich weiß nicht, eine Spionin oder so was. Das war sie nicht.«
    »Sie sind mit ihr in Verbindung geblieben.« Er sagte nichts. »Warum?«
    »Ich ... Sie war ...«
    »Weshalb haben Sie mich angerufen? In Besźel?«
    »... Marya hat was Besseres verdient als einen Töpferacker.«
    Ich war überrascht, dass er den Ausdruck kannte. »Hatten Sie was mit ihr, Jaris?«, fragte ich.
    »Ich wusste kaum etwas von ihr. Habe nie gefragt. Habe nie ihre Freunde kennengelernt. Wir sind vorsichtig. Aber sie hat mir von Orciny erzählt. Hat mir ihre gesammelten Aufzeichnungen gezeigt. Sie war ... Hören Sie, Borlú, auch wenn Sie es mir nicht glauben, sie hatte Kontakt aufgenommen. Es gibt Orte ...«
    »Dissensi?«
    »Nein, nicht so was. Nicht umstritten. Nicht die Stellen, von denen jeder in Ul Qoma glaubt, sie sind Besźel und jeder in Besźel, sie sind Ul Qoma. Was sie meinte, was ich meine, ist weder noch. Sie sind in Orciny. Marya hat sie gefunden, und

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