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Die Stadt und die Stadt

Die Stadt und die Stadt

Titel: Die Stadt und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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die da leben. Sie hat mir erzählt, dass sie ihnen hilft.«
    »Was zu tun?« Das Schweigen dehnte sich so endlos, dass ich nicht mehr an mich halten konnte.
    »Darüber weiß ich nicht viel. Sie hat ihnen aus der Klemme geholfen. Sie wollten etwas. Sagte Marya. Mahalia hieß sie in Wirklichkeit? Als ich sie einmal fragte: ›Woher weißt du, dass Orciny auf unserer Seite ist?‹, hat sie nur gelacht und gesagt: ›Weiß ich nicht und sind sie nicht.‹ Mit mehr wollte sie nicht herausrücken. Ich wollte auch gar nicht mehr wissen. Sie hat überhaupt nicht viel darüber gesprochen. Ich dachte, dass sie ab und zu rübergeht, auf dem Weg durch einige dieser Plätze, aber ...«
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Ich erinnere mich nicht. Ein paar Tage bevor ... bevor sie ... Borlú, eins müssen Sie unbedingt wissen: Mahalia wusste, sie war in Schwierigkeiten. Sie wurde richtig sauer und regte sich auf, als ich etwas über Orciny sagte. Bei unserem letzten Treffen. Sie sagte, ich hätte keine Ahnung. Sie sagte etwas wie, sie wüsste nicht, ob das, was sie tut, Wiedergutmachung ist oder kriminell.«
    »Was hat sie damit gemeint?«
    »Weiß nicht. Sie sagte, Ahndung wäre nichts. Mann, ich war fertig. Wäre jeder gewesen, oder? Sie sagte, jeder, der die Wahrheit über Orciny kennt, ist in Gefahr. Sie sagte, es gäbe nicht viele, aber die wenigen hätten nicht den blassesten Schimmer, dass sie bis zum Hals in der Scheiße stecken, würden es nicht für möglich halten. Ich fragte: ›Sogar ich?‹, und sie sagte: ›Vielleicht. Vielleicht habe ich dir schon zu viel erzählt.‹«
    »Was glauben Sie, was sie damit gemeint hat?«
    »Wie gut wissen Sie über Orciny Bescheid, Borlú? Wie zum Teufel kommt man auf die bescheuerte Idee, man könnte sich mit so was wie Orciny einlassen, ohne sich irgendwann die Finger zu verbrennen? Wie schafft man es wohl, jahrhundertelang unentdeckt zu bleiben? Indem man lieb und nett ist? Heiliges Licht! Ich denke mir, sie ist da reingerutscht und hat für Orciny gearbeitet, und das sind Schmarotzer, meine Meinung, die ihr weisgemacht haben, dass sie ihnen hilft. Aber sie hat was entdeckt, und als die dahintergekommen sind, haben sie sie ermordet!« Er riss sich zusammen. »Zum Schluss hat sie immer ein Messer bei sich gehabt, zu ihrem Schutz. Vor Orciny.« Ein bitteres Auflachen. »Sie haben Mahalia ermordet, Borlú. Und sie werden jeden ermorden, von dem sie sich bedroht fühlen. Jeden, der unerwünschte Aufmerksamkeit auf sie lenkt.«
    »Was ist mit Ihnen?«
    »Arschkarte, ganz klar. Sie ist weg, also haue ich auch ab. Ul Qoma kann zum Teufel gehen, samt Besźel und Or-fick-dich-ciny. Das hier ist mein Auf Wiedersehen. Hören Sie das Rollen der Räder? In einer Minute, wenn wir fertig sind, fliegt dieses Telefon hier aus dem verdammten Fenster und Sayonara. Dieser Anruf ist mein Abschiedsgeschenk, weil ich Mahalia gern hatte.«
    Bei den letzten Worten senkte er seine Stimme zu einem Flüstern. Als ich merkte, dass er aufgelegt hatte, versuchte ich, ihn zurückzurufen. Aber die Leitung war tot.
 
    Ich rieb mir die Augen, zu lange. Ich übertrug meine Gedanken auf ein Blatt Papier, Notizen für den Papierkorb, einfach nur, um in meinem Kopf Ordnung zu schaffen. Ich schrieb Namen untereinander. Ich schaute auf die Uhr und kalkulierte die Zeitzonen. Ich wählte auf dem Hotelapparat eine Nummer im Ausland.
    »Mrs. Geary?«
    »Wer ist da?«
    »Mrs. Geary, hier ist Tyador Borlú. Von der Polizei in Besźel.« Sie schwieg. »Wir ... Darf ich fragen, wie es Ihrem Mann geht?« Barfuß tappte ich zum Fenster.
    »Meinem Mann geht es gut«, sagte sie endlich. »Aber er ist zornig.« Sie war sehr vorsichtig. Sie traute mir nicht. Ich schob die schweren Vorhänge ein wenig auseinander und schaute hinaus. Mitternacht war vorbei, an den Morgen noch lange nicht zu denken, trotzdem waren auf der Straße ein paar Gestalten unterwegs, wie eigentlich immer. Ab und zu fuhr ein Auto vorbei. In der Dunkelheit ließ sich weniger leicht unterscheiden, wer von hier war und wer von auswärts und deshalb am Tag nichtsehbar: Das Licht der Straßenlaternen veränderte Farben, und der für die Nacht typische eilige Gang mit hochgezogenen Schultern erschwerte die Beurteilung der Körpersprache.
    »Ich wollte Ihnen noch einmal sagen, wie sehr ich bedaure, dass Ihr Aufenthalt in Besźel so unglücklich verlaufen ist. Und ich wollte mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist.«
    »Haben Sie gute Neuigkeiten

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