Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson
mächtigen, wenn auch launenhaften Verbündeten. Die klügsten Gehirne von Lys waren nicht imstande gewesen, seine Pläne zu durchkreuzen; irgendwie glaubte er, dass es den Diasparern ebenso wenig gelingen würde.
Für diese Hoffnung gab es vernünftige Gründe, aber zum Teil beruhten sie auf einer Tatsache, die über die Vernunft hinausging – auf einem Glauben an seine Bestimmung, der sich langsam in Alvin entwickelt hatte. Das Geheimnis seiner Herkunft, die Art, in der sich ihm neue Ausblicke eröffnet hatten, sein Erfolg bei einem Tun, das noch nie jemand gewagt hatte – das alles trug zu seiner Selbstsicherheit bei.
»Alvin«, sagte der Anführer der Stadtwache, »wir haben den Auftrag, dich überallhin zu begleiten, bis der Rat deinen Fall verhandelt und ein Urteil beschlossen hat.«
»Welchen Vergehens klagt man mich an?«, fragte Alvin. Er war noch von der Aufregung seiner Flucht aus Lys hoch gestimmt und versuchte, diese neue Entwicklung nicht ganz ernst zu nehmen. Wahrscheinlich hatte Khedron ausgepackt; er ärgerte sich über den Spaßmacher, weil er das Geheimnis preisgegeben hatte.
»Eine Anklage ist noch nicht erhoben worden«, kam die Antwort. »Falls nötig, wird man sie nach der Anhörung formulieren.«
»Und wann ist damit zu rechnen?«
»Sehr bald, nehme ich an.« Der Mann fühlte sich offensichtlich nicht wohl in seiner Haut und wusste auch nicht, wie er diesen unwillkommenen neuen Auftrag ausführen sollte. Einmal behandelte er Alvin wie einen Mitbürger, dann fiel ihm seine Rolle als Bewacher ein, und er nahm eine Haltung übertriebener Ablehnung an.
»Dieser Roboter«, sagte er plötzlich, auf Alvins Begleiter deutend, »woher kommt er? Gehört er der Stadt?«
»Nein«, erwiderte Alvin. »Ich habe ihn in Lys aufgespürt, in dem Land, das ich besucht habe. Ich habe ihn mitgebracht, um ihn dem Zentralgehirn vorzustellen.«
Diese mit beherrschter Stimme vorgetragenen Worte riefen beträchtliche Aufregung hervor. Die Tatsache, dass außerhalb Diaspars etwas existierte, war schwer genug zu akzeptieren, aber dass Alvin einen Bewohner von dort mitgebracht hatte und ihn dem Gehirn der Stadt vorführen wollte, übertraf alles. Die Wachen sahen einander so ratlos an, dass Alvin sich kaum das Lachen verbeißen konnte.
Als sie durch den Park marschierten, wobei die Bewacher diskret im Hintergrund blieben und aufgeregt miteinander flüsterten, überlegte Alvin sein weiteres Vorgehen. Als Erstes musste er herausfinden, was sich in seiner Abwesenheit ereignet hatte. Khedron war verschwunden. Es gab zahllose Stellen in Diaspar, an denen er sich versteckt haben konnte, und bei der außerordentlich guten Stadtkenntnis des Spaßmachers würde es schwerfallen, ihn zu finden, wenn er sich nicht selbst entschloss, wieder aufzutauchen. Vielleicht konnte er eine Botschaft irgendwo hinterlassen, wo Khedron sie sehen musste, und ein Zusammentreffen vereinbaren. Die Anwesenheit der Wachen konnte das jedoch vereiteln.
Er musste zugeben, dass die Überwachung sehr diskret erfolgte. Als er bei seiner Wohnung angelangt war, hatte er die Wachen fast vergessen. Er vermutete, dass sie nichts unternehmen würden, solange er Diaspar nicht zu verlassen suchte, und das lag ihm im Augenblick fern. Ja, er war sich sogar sicher, dass er auf dem ursprünglichen Weg nicht mehr nach Lys gelangen konnte. Inzwischen würden Seranis und ihre Berater das unterirdische Transportsystem ganz sicher unterbrochen haben.
Die Wachen folgten ihm nicht in sein Zimmer; sie wussten, dass es nur einen einzigen Ausgang gab, und dort ließen sie sich nieder.
Sobald sich die Wand hinter ihm geschlossen hatte, materialisierte Alvin sein Lieblingssofa und warf sich darauf. Froh, wieder seine vertraute Umgebung um sich zu haben, ließ er seine letzten malerischen und bildhauerischen Versuche aus den Gedächtnisanlagen erscheinen und betrachtete sie mit kritischem Blick. Sie hatten ihn schon früher nicht befriedigt, und jetzt beleidigten sie sein Auge erst recht. Sie konnten seinen Ansprüchen nicht mehr genügen, denn der Mensch, der sie erschaffen hatte, existierte nicht mehr. Alvin hatte Diaspar nur für ein paar Tage verlassen, und doch fühlte er sich, als hätte er diese kurze Zeitspanne mit den Erfahrungen eines ganzen Lebens ausgefüllt.
Er löschte die Produkte seiner Kindheit aus, und zwar für immer – bis sich im Speicher der Gedächtnisanlagen keine Spur mehr davon fand. Das Zimmer war wieder leer bis auf das Sofa und den
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