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Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Titel: Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clarke Arthur C.
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indem er die Art seiner Flucht aus Lys unterschlug. Es schien mehr als wahrscheinlich, dass er sich noch einmal dieser Methode bedienen musste.
    Es war erstaunlich zu sehen, wie sich die Haltung der Ratsmitglieder im Verlauf seiner Erzählung änderte. Anfangs waren sie skeptisch. Sie weigerten sich, die Umkehrung ihrer Glaubensgrundsätze, die Verletzung ihrer tiefsten Vorurteile anzuerkennen. Als ihnen Alvin von seinem leidenschaftlichen Wunsch berichtete, die Welt jenseits der Stadt zu erforschen, und seine durch Vernunft nicht belegbare Überzeugung erklärte, dass eine solche Welt existieren musste, starrten sie ihn an, als sei er ein seltsames und unbegreifliches Tier. In ihren Augen war er es wirklich. Aber schließlich mussten sie zugeben, dass er Recht gehabt hatte und sie im Irrtum gewesen waren. Vielleicht gefiel ihnen nicht, was er mitteilte, aber die Wahrheit konnten sie nicht mehr leugnen. Wenn sie sich dazu versucht fühlten, brauchten sie nur Alvins stummen Begleiter anzusehen.
    Es gab nur eine Stelle in seinem Bericht, die ihre Entrüstung erregte – aber sie richtete sich nicht gegen ihn. Ein verärgertes Murmeln lief durch die Versammlung, als Alvin die Anstrengung der Bewohner von Lys erwähnte, jede Ansteckung durch Diaspar zu vermeiden, und von den Maßnahmen erzählte, die Seranis getroffen hatte, um eine derartige Katastrophe zu verhindern. Diaspar war stolz auf seine Kultur, und mit gutem Grund. Die Ratsmitglieder konnten nicht dulden, dass irgendjemand sie als minderwertig ansah.
    Alvin bemühte sich, mit seinen Bemerkungen keinen Anstoß zu erregen; er wollte den Rat, soweit das möglich war, für sich gewinnen. Daher versuchte er durchweg den Eindruck zu erwecken, dass er in seinem Vorgehen nichts Falsches gesehen hatte und für seine Entdeckung eher Lob als Tadel erwartete. Das war die klügste Einstellung, denn sie entwaffnete seine Kritiker und bewirkte, dass die ganze Schuld auf den verschwundenen Khedron fiel, obwohl Alvin das keineswegs beabsichtigt hatte. Er selbst, hielten ihm seine Zuhörer zugute, war zu jung, um die Gefahren seines Tuns einschätzen zu können. Der Spaßmacher allerdings hätte es besser wissen müssen; er hatte sich verantwortungslos benommen. Sie wussten nicht, wie sehr Khedron mit ihrer Sichtweise übereinstimmte.
    Auch Jeserac, als Alvins Lehrer, verdiente Tadel, und von Zeit zu Zeit warfen ihm einige Ratsmitglieder nachdenkliche Blicke zu. Es schien ihn nicht zu stören, obwohl er genau wusste, was sie dachten. Er hatte den originellsten Geist gelenkt, der seit der Frühzeit Diaspars erschienen war, und diese Ehre konnte ihm niemand nehmen.
    Erst als Alvin die faktenreiche Darstellung seiner Aben teuer beendet hatte, versuchte er es mit Überredung. Irgend wie musste er diese Männer von den Erkenntnissen überzeugen, die er in Lys gewonnen hatte. Aber wie konnte er ihnen etwas wirklich begreiflich machen, das sie weder gesehen hatten noch sich vorstellen konnten?
    »Ich halte es für eine Tragödie«, sagte er, »dass die beiden überlebenden Zweige der Menschheit voneinander getrennt sind. Eines Tages werden wir vielleicht wissen, warum es dazu kommen musste, aber jetzt ist es wichtiger, diesen Riss zu kitten und zu verhindern, dass es noch einmal geschieht. Als ich in Lys war, habe ich mich gegen die dortige Einstellung gewandt, man sei uns überlegen; wir können sicher viel von ihnen lernen, sie aber auch von uns. Wenn wir beide auf dem Standpunkt stehen, nicht voneinander lernen zu können, wird da nicht deutlich, dass wir uns beide irren?«
    Er sah erwartungsvoll in die Gesichter der Männer und fühlte sich ermutigt fortzufahren.
    »Unsere Vorfahren«, erklärte er, »errichteten ein Imperium, das bis zu den Sternen reichte. Die Menschen verkehrten nach Belieben zwischen diesen Welten – und jetzt wagen sich ihre Nachkömmlinge nicht einmal mehr über die Mauern ihrer Stadt hinaus. Soll ich Ihnen sagen, warum?« Er legte eine Pause ein; in dem großen Saal war es totenstill.
    »Weil wir Angst haben – Angst vor einem Ereignis aus der Frühzeit unserer Geschichte. In Lys erfuhr ich die Wahr heit, wenn ich sie auch längst vermutet hatte. Müssen wir uns immer wie Feiglinge in Diaspar verbergen, müssen wir heucheln, dass sonst nichts existiert – weil uns vor einer Milliarde Jahren die Invasoren zur Erde zurückgetrieben haben?«
    Er hatte den Finger in die Wunde, ihre geheime Furcht, gelegt – die Furcht, die er nie geteilt hatte und deren

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