Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson
begleiten wollen, werde ich Ihnen zeigen, warum die Untergrundverbindung nach Lys nicht mehr wichtig ist. Ich möchte auch noch ein anderes Experiment versuchen; es wird Ihnen nichts passieren, aber vielleicht unangenehm für Sie sein.«
»Nun gut. Eigentlich bin ich zwar immer noch dein Leh rer, aber die Rollen scheinen vertauscht zu sein. Wohin führst du mich?«
»Wir gehen zum Turm von Loranne, und ich werde Ihnen die Welt außerhalb Diaspars zeigen.«
Jeserac erblasste. Dann nickte er kurz, als traue er sich nicht zu sprechen, und folgte Alvin hinaus auf das gleitende Band der Fließstraße.
Jeserac zeigte keine Furcht, als sie den langen Tunnel durchschritten, durch den der kalte Wind nach Diaspar wehte. Der Tunnel hatte sich verändert; das Steingitter, das den Zugang zur Außenwelt versperrt hatte, war verschwunden. Es diente keinem strukturellen Zweck, und das Zentralgehirn hatte es auf Alvins Bitte hin kommentarlos entfernt. Später würde es die Monitoren vielleicht anweisen, das Gitter wieder anzubringen. Aber im Augenblick öffnete sich der Tunnel unversperrt und ungeschützt zur Stadtmauer.
Erst als Jeserac das Ende des Luftschachtes fast erreicht hatte, begriff er, dass die Außenwelt unmittelbar vor ihm lag. Seine Schritte wurden unsicherer, und schließlich blieb er ganz stehen. Alvin erinnerte sich, dass Alystra damals davongelaufen war, und er überlegte, wie er Jeserac zum Weitergehen bewegen konnte.
»Ich will ja nur, dass Sie hinaussehen«, bat er, »und nicht, dass Sie die Stadt verlassen sollen. Das werden Sie doch wohl schaffen!«
Während seines kurzen Aufenthaltes in Airlee hatte Alvin eine Mutter beobachtet, die ihrem Kind das Laufen beibrachte. Er wurde unweigerlich daran erinnert, als er Jeserac mit schmeichelnden und aufmunternden Worten zum Weitergehen veranlasste, während sein Lehrer widerwillig Fuß vor Fuß setzte. Er wollte gegen den inneren Zwang ankämpfen, aber es war ein verzweifelter Kampf. Alvin fühlte sich fast so erschöpft wie Jeserac, als er ihn schließlich an einen Punkt gelotst hatte, von dem aus er die endlose Wüstenlandschaft sehen konnte.
Die seltsame Schönheit dieser Szene schien Jeserac seine Angst vergessen zu lassen. Die riesigen Sanddünen und fernen, alten Berge schlugen ihn ganz offensichtlich in ihren Bann. Es war Spätnachmittag, und bald würde die Nacht über dieses Land hereinbrechen.
»Ich habe Sie hergebeten«, sagte Alvin hastig, als könne er seine Ungeduld kaum bezähmen, »weil ich weiß, dass Sie mehr als jeder andere berechtigt sind, zu sehen, wohin mich meine Reisen geführt haben. Ich wollte, dass Sie die Wüste sehen, und ich brauche Sie auch als Zeugen, damit der Rat weiß, was ich getan habe.
Wie ich dem Rat schon berichtete, brachte ich den Ro boter von Lys mit, in der Hoffnung, das Zentralgehirn werde in der Lage sein, die vom Meister errichtete Gedächtnissperre aufzuheben. Mit einem Trick, den ich immer noch nicht ganz begreife, hatte das Zentralgehirn Erfolg. Jetzt stehen mir alle Erinnerungen des Roboters zur Verfügung, ebenso auch seine Spezialfertigkeiten. Eine von ihnen werde ich jetzt anwenden. Sehen Sie nur.«
Auf einen stummen Befehl hin schwebte der Roboter durch die Tunnelöffnung hinaus, beschleunigte und war im Verlauf weniger Sekunden nur noch ein fernes metallisches Blitzen im Sonnenlicht. Er flog in niedriger Höhe über die Wüste dahin, über die Sanddünen, die sich wie erstarrte Wellen kreuzten. Jeserac gewann den Eindruck, dass er etwas suchte.
Dann stieg der glitzernde Punkt plötzlich auf und kam dreihundert Meter über dem Boden zum Stillstand. Im selben Augenblick seufzte Alvin erleichtert. Er sah Jeserac an, als wollte er sagen: »Das ist es!«
Zuerst konnte Jeserac keine Veränderung erkennen. Dann sah er, dass sich langsam eine Staubwolke aus der Wüste erhob.
Nichts ist schrecklicher als eine Bewegung, die es gar nicht geben dürfte, aber Jeserac befand sich jenseits von Überraschung und Angst, als sich die Sanddünen zu teilen begannen. Unter dem Wüstenboden rührte sich etwas, und dann erreichte seine Ohren das Donnern stürzender Erde und das Kreischen berstender Felsen. Plötzlich stieg eine riesige Sandfontäne Hunderte von Metern empor und wälzte sich über den Boden.
Langsam trieb der Staub auf die gezackte Wunde in der Wüste zu. Aber Jeserac und Alvin starrten immer noch auf den Himmel, in dem anfänglich nur der Roboter zu sehen gewesen war. Jetzt endlich wusste Jeserac, warum
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