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Die Stadt unter dem Eis

Die Stadt unter dem Eis

Titel: Die Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schnell die Soldaten trotz allem waren.
Plötzlich tauchte ein viertes Gespann hinter ihnen auf. Es
bewegte sich in spitzem Winkel auf sie zu und war wesentlich
schneller als die drei anderen Verfolger. Der Mann, der im Heck
des Schlittens stand, trug auch nicht die gleiche Art von
Kleidung. Nach ein paar Sekunden erkannte ihn Mike.
Es war Kanuat.
Der Inuit jagte mit seinem Gespann in unglaublich hohem
Tempo an den Soldaten vorbei, korrigierte seinen Kurs ein
wenig und ließ seine Peitsche knallen. Auf diese Weise brauchte
er kaum eine Minute, bis er auf Rufweite heran war.
»Springt auf!«, schrie er. »Ich kann nicht anhalten!«
Mike fuhr ein eisiger Schrecken durch die Knochen, als er
sah, wie schnell der Hundeschlitten heranfegte. Sie würden nur
eine einzige Chance haben, auf das Gespann aufzuspringen.
Und er wagte es nicht einmal, sich vorzustellen, was passierte,
wenn dieses Vorhaben nicht gelang.
Trautman versetzte Vom Dorff einen Stoß, der ihn auf das Eis
stürzen und hilflos davonschlittern ließ, und begann gleichzeitig
zu rennen. Auch Mike beschleunigte seine Schritte, so weit er es
nur wagte. Trotzdem war Kanuats Gespann noch immer
ungleich schneller als er.
Trautman war der Erste, der den Sprung wagte. Er landete
erstaunlich geschickt auf dem Schlitten, fiel auf die Seite und
streckte trotzdem sofort die Hand in Mikes Richtung aus. »Spring!«, schrie er.
Mike raffte all seinen Mut zusammen, stieß sich ab und
sprang mit aller Kraft.
Er merkte sofort, dass er sich verschätzt hatte. Der Schlitten
war zu schnell und er hatte auf dem glatten Untergrund nicht
genug Schwung holen können. Es gelang ihm zwar, Trautmans
ausgestreckte Hände zu ergreifen, aber er verfehlte den
Schlitten und prallte mit grausamer Wucht auf das Eis.
Trautman zerrte ihn unbarmherzig zu sich heran, krallte
schließlich die Hand in seinen Gürtel und zog ihn mit einem
Ruck auf den Schlitten hinauf. Mike rollte sich keuchend auf
den Rücken, blinzelte die Tränen weg und versuchte sich
aufzurichten.
»Das war knapp«, keuchte Trautman. »Bist du in Ordnung?«
»Ja«, antwortete Mike gepresst. »Ich muss wahrscheinlich in
Zukunft nur aufpassen, dass ich mir nicht dauernd selbst auf die
Hände trete.«
Trautman grinste, setzte sich vorsichtig auf und sah zum Ufer
zurück. Ihre Verfolger waren weiter zurückgefallen, legten aber
allmählich an Tempo zu.
»Keine Angst!«, rief Kanuat. »Sie holen uns nicht ein!«
Tatsächlich handhabten die Soldaten die Schlitten nicht
einmal annähernd so geschickt, wie es der Inuit tat. Kanuat
stand hoch aufgerichtet auf einem sonderbar anmutenden
Gestell am Heck des geflochtenen Schlittens. Obwohl sie mit
halsbrecherischer Geschwindigkeit dahinrasten, hielt er sich mit
nur einer Hand fest. Mit der anderen ließ er immer wieder die
Peitsche knallen, ohne dass die geflochtene Schnur die Rücken
der Tiere vor ihnen allerdings auch nur ein einziges Mal
berührte.
Ihre Verfolger hatten in dieser Hinsicht allerdings weniger
Hemmungen. Das Bellen der Hunde klang immer schriller und
gequälter und das Ergebnis ließ auch nicht lange auf sich
warten. Einer der Schlitten begann plötzlich zu schlingern. Die
Hunde heulten schrill auf, dann stellte sich das Gespann quer
und zerbarst plötzlich, als wäre es von einer Kanonenkugel
getroffen worden. Trümmer und Soldaten flogen in alle
Richtungen davon, während sich die Hunde losrissen und ihr
Heil in der Flucht suchten.
»Diese Narren!«, schrie Kanuat. »Hoffentlich brechen sie sich
die Hälse!«
Zumindest das hatten die Besatzungen der beiden anderen
Gespanne wohl nicht vor, denn sie wurden nun deutlich
langsamer. Zuerst fiel das eine zurück und wenige Augenblicke
später gab auch das zweite Gespann die Verfolgung auf.
Sie waren gerettet. Zumindest für den Augenblick.
    Kanuat nahm ein wenig Tempo zurück, hielt aber keineswegs
an, als sie das jenseitige Flussufer erreichten, sondern wechselte
nur auf einen etwas westlicheren Kurs und fuhr noch beinahe
eine Stunde lang weiter. Weder er selbst noch Trautman oder
Mike sprachen in dieser Zeit auch nur ein einziges Wort.
    Endlich wurde das Gespann langsamer. Sie glitten über eine
schneebedeckte Ebene, auf der sich niedrige Felsformationen
mit weiten, leeren Eisflächen abwechselten, auf denen der Wind
immer neue bizarre Formen aus pulverfeinem Schnee erschuf
und wieder auseinander riss. Kanuat lenkte das Gespann auf
eine dieser Felsformationen zu, hielt an und sprang mit einem
federnden Satz vom

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