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Die Stahlkönige

Die Stahlkönige

Titel: Die Stahlkönige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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keinen Angriff von dieser Seite und hielten die steile Felswand für die beste Verteidigung. Wachen patrouillierten auf den Wehrgängen und auf ein paar Balkonen standen Bewaffnete. Auf anderen saßen farbenfroh gekleidete Menschen, die miteinander plauderten oder speisten. Die bunten Farbtupfer ließen den Ort nicht freundlicher aussehen.
    Hoch über ihm betraten zwei Männer einen Balkon. Einer der beiden war klein, bärtig und in graue Gewänder gehüllt. Der andere erregte Kairns Aufmerksamkeit und um ein Haar hätte er aufgeschrien. Gerade noch rechtzeitig hielt er sich zurück und drückte sich an die raue Felswand, um sich im Schatten zu verbergen.
    Er beobachtete die beiden kleinen Gestalten unverwandt und versuchte sich einzureden, dass er sich irrte. Aber das konnte nicht sein. Er kannte jede Bewegung und jede Geste jener Gestalt besser als sich selbst. Dort oben stand sein Vater, König Hael, und unterhielt sich mit jemandem.
    Kairn atmete schneller und der Schweiß lief ihm den Nacken hinunter. Hier stimmte etwas nicht! Der Beamte am Tor und die Stadtwachen hatten abgestritten, den Mann gesehen zu haben! War er etwa unbemerkt in die Stadt gelangt oder hielt man seine Anwesenheit absichtlich geheim? Unterhielt er sich mit einem befreundeten Monarchen oder war er ein Gefangener? Sein Auftrag erschien Kairn immer schwieriger zu werden.
    Er musterte die Mauer nach einer Möglichkeit, auf den Balkon zu klettern. Wenn er einen Weg fand, wollte er nach Einbruch der Dunkelheit zurückkehren. Er hoffte, dass sein Vater den an den Balkon grenzenden Raum bewohnte, was natürlich auch ein Irrtum sein konnte. Nun, eine bessere Idee hatte er nicht. Auf keinen Fall konnte er an das Tor des Palasts klopfen und verlangen, sofort zu König Hael gebracht zu werden.
    So lange er auch suchte, er fand keine mögliche Kletterroute. Die Mauer war glatt und außer den Balkonen gab es keinerlei Vorsprünge. Kairn erwog, sich mit einem Seil von Balkon zu Balkon zu schwingen, sah aber keine Pfosten oder andere Befestigungsmöglichkeiten. Sein Vorhaben erwies sich als äußerst kompliziert.
    Er eilte zurück zum Gasthaus, nahm eine hastige Mahlzeit zu sich und dachte angestrengt nach. Der Bogen und die Pfeile hingen an einem Haken in seinem Zimmer, und er dachte an den schmalen Pfad und die Tür, die auf den Balkon führte. Sollte er eine Nachricht an einem Pfeil schicken? Die Aussicht war verlockend, aber die Entfernung und der richtige Schusswinkel waren kaum abzuschätzen. Außerdem wusste er nicht, ob Hael den angrenzenden Raum wirklich bewohnte. Es bestand auch die Möglichkeit, dass sein Pfeil einen Unschuldigen durchbohrte, obwohl das recht unwahrscheinlich war. Wenn der Schuss überhaupt gelang, traf er höchstens die Decke.
    Kairn holte sein Schreibzeug aus den Satteltaschen und versuchte, eine Nachricht zu verfassen. Noch während er nachdachte, fielen ihm unangenehme Dinge ein. Er konnte die nevanische Schrift benutzen und in seiner Heimatsprache schreiben. Beides war den Mezpanern fremd, aber er hielt sich in der Hauptstadt auf, in der es sicher Schriftgelehrte gab, die Fremdsprachen und ausländische Schriftzeichen beherrschten. Auch konnte jede Botschaft, die auf diese Weise verschickt wurde, das Spiel, das sein Vater spielte, gefährden, wenn ein Außenstehender die Nachricht fand.
    Je länger er nachdachte, umso närrischer erschien ihm sein Plan. Er zerknüllte die Nachricht, noch ehe er sie richtig begonnen hatte, und verbrannte sie, um keine Spur zu hinterlassen. Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich auf das schmale Bett fallen, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Decke, wo eine kleine Spinne ihr kunstvolles Netz wob.
    Seit Jahren hatte er sich Autorität beugen müssen: der seiner Eltern, seines älteren Bruders, der Krieger und Ältesten des Stammes. Er hatte sich danach gesehnt, auf eigenen Füßen zu stehen, ein Abenteurer, der nur sich selbst Rede und Antwort stehen musste. Jetzt erlebte er die Nachteile dieses Lebens. Wie schön wäre es, eine ältere, weisere und erfahrenere Person um Rat fragen zu können.
    Schon jetzt dämmerte ihm, dass er Fehler begangen hatte. Niemals hätte er so offen hierher kommen und alle nach einem Mann fragen dürfen, auf den die Beschreibung seines Vaters passte. Ihm hätte klar sein müssen, dass sein Vater etwas Waghalsiges plante oder gar ein Gefangener war. Jetzt hatte Kairn Aufmerksamkeit erregt und seinen Vater wahrscheinlich in Gefahr gebracht. Er

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