Die Stahlkönige
respektieren. Das war die schrecklichste Aussicht: nach entsetzlichen Folterungen durch Menschen zu sterben, denen völlig gleichgültig war, wie tapfer er sein Leid ertrug. Es bedeutete einen würdelosen Tod. Niemand würde erfahren, wie er gestorben war. Er würde zu jenen gehören, die ihre Heimat verlassen hatten und nie wieder auftauchten. Man würde ihn vergessen und der Gedanke war bitter.
Keinen Augenblick dachte er daran, dass er die Folter überleben könnte. Der Gedanke an die Qualen war kaum zu ertragen. Der Tod war erträglich, auch wenn er ihn sich ehrenvoller und zu einem späteren Zeitpunkt gewünscht hätte. Aber das Weiterleben als hilfloser Krüppel kam ihm gar nicht in den Sinn.
Die Wachen legten ihm einen Halsring an und verließen die Zelle. Er sah sich nach anderen Gefangenen um, entdeckte aber niemanden. Die Kette erlaubte ihm, sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden zu setzen, und nach einem kurzen vergeblichen Zerren ließ er sich nieder. Kairn trug noch immer die Handfesseln, die dünn und zerbrechlich aussahen, sich aber als unzerreißbar erwiesen.
Er fragte sich, ob es möglich war, Selbstmord zu begehen. Mit dem Ring um den Hals konnte er sich vielleicht erhängen. Ein abstoßender Gedanke, der aber dem Tod durch Folter vorzuziehen war.
Plötzlich fiel ihm sein Auftrag wieder ein, und er verfluchte seine Selbstsucht, sich nach einem schnellen Tod zu sehnen. Was zählte sein eigenes Leid, wenn er eine so wichtige Botschaft überbringen sollte?
Da es schon vorher mehr als schwierig war, seinen Vater zu erreichen, so schien es ihm jetzt unmöglich. Wie sollte er Hael eine Botschaft senden? Dann fiel ihm ein, dass sich Hael irgendwo in diesem Gebäude befinden musste. Da er jetzt ein Hindernis überwunden hatte, fühlte er sich ein wenig besser, und er dachte darüber nach, wie er dem Kerker entrinnen konnte. Er musste seinen Verstand und die Erziehung einsetzen, die er dank der Beharrlichkeit des Vaters erhalten hatte. Eines war sicher: Einem Mann in Ketten nutzten die Fähigkeiten eines Kriegers nichts.
Gegen Mittag hörte er, wie sich die Tür oberhalb der Treppe öffnete, die zu den Kerkern führte. Seit seiner Ankunft hatte er nichts gegessen, und er hoffte, dass man ihm Nahrung brachte. Jeder Gedanke an Hunger verflog, als der kleine bärtige Mann die Zelle betrat, den er zusammen mit Hael auf dem Balkon gesehen hatte.
Der Fremde wurde von Wachen und Dienern begleitet. Ein Dienstbote stellte einen Klappstuhl vor dem Gefangenen auf. Der Bärtige setzte sich. Kairn wusste, dass er sich für einen Angriff knapp außer Reichweite befand. Die feingliedrigen Hände auf die Knie gestützt, beugte sich der Mann vor und musterte seinen Gefangenen. Seine Augen sahen wie kalte schwarze Steine aus, und das Gesicht wie eine unbewegte Maske.
»Junger Mann«, begann er mit einer Stimme, die so kalt wie die Augen war, »ehe wir anfangen, möchte ich dir deine Lage verdeutlichen. Ich weiß, du bist ein Ausländer, der unsere Sprache beherrscht. Verstehst du mich?«
»Ja«, sagte Kairn und war stolz, wie fest seine Stimme klang. Kein Wunder, denn noch war nichts Grauenvolles geschehen.
»Ausgezeichnet. Ich bin Graf Todesmond, der Herrscher des Landes Mezpa. Ich bin unbeschreiblich mächtig und du bist mein Gefangener. Lass jeden Gedanken an eine Flucht fallen, denn sie ist unmöglich. Du darfst mich nicht anlügen, denn das merke ich sofort. Meine Offiziere sind sehr geschickt, wenn es darum geht, Schmerzen zuzufügen und Gliedmaßen abzutrennen, ohne den Tod herbeizuführen. Hast du mich verstanden?«
»Das habe ich.«
»Sehr schön. Um unnötige Wiederholungen bei deinem Geständnis zu vermeiden, sage ich dir, was ich bereits weiß. Versuche nicht, etwas abzustreiten, denn alles ist bewiesen.« Er hob die Hand, und einer der Diener legte ihm einen in Leder gebundenen Ordner auf den Schoß. Ein zweiter Diener brachte eine Laterne, um das Licht, das durch das winzige Fenster fiel, zu unterstützen.
»Gestern bist du mit einem edlen Cabo am Haupttor Felsensteins aufgetaucht und hast deinen Namen mit Kairn angegeben. Du gabst an, nach einem Mann zu suchen, den du genau beschrieben hast: groß und muskulös, mit langen Haaren von eigenartig bronzener Farbe und goldbrauner Haut, mit hohen Wangenknochen und leuchtend blauen Augen. Ein auffallender Bursche, finde ich, aber wir reden später über die Gründe, warum du ihn suchst.
Fahren wir fort. Nachdem du dich bei der örtlichen Stadtwache
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