Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Leute her, die sich auf der Stelle bewaffneten und an die Front gingen. Wir übergaben die Arbeiterbataillone dem Frontstab.
Kaschinzew (Parteisekretär des Bezirks »Roter Oktober«): Das 1. Zerstörungsbataillon kehrte Ende August in einer Stärke von 22 Mann von der vordersten Linie zurück. […] Warum gab es so große Verluste? Kommissar Sasykow, der am Leben blieb, erklärt das damit, dass unser Trupp und der Traktorenwerk-Trupp in den ersten Tagen bis zum Anrücken der regulären Truppenteile den Hauptschlag entgegennehmen mussten, und außerdem mit der unzureichenden Bewaffnung des Zerstörungsbataillons. Das Zerstörungsbataillon war nur mit Gewehren bewaffnet.
Major Demtschenko (Kommandant Stalingrads): Zu dieser Zeit hatten wir eine große Krise in der Bewaffnung. Nicht einmal Gewehre gab es. Ich klaubte buchstäblich überall und nirgends einzelne Gewehre zusammen, um diese Leute zu bewaffnen. […] Wenn dort erbeutete Waffen anfielen, nahmen wir alles zur Bewaffnung des Trupps.
Joffe (Direktor, Medizinisches Institut): In den ersten beiden Tagen herrschte eine große Verwirrung in den Gebietsorganisationen, erst am 26. kam man dort wieder zur Besinnung. […] Am 24. und 25. kamen keine Zeitungen heraus, es gab keinen Strom, kein Wasser, und als die Gebäude brannten, konnte die Feuerwehr nicht eingreifen, weil es kein Wasser gab. Am 25. sah ich nachts am bewaldeten Wolgaufer einen kolossale Rauchsäule – die Erdöltanks brannten.
Denissowa (Parteisekretärin des Jerman-Bezirks): Die Brände konnten nicht gelöscht werden, weil die Wasserleitung zerstört worden war. Die Deutschen hatten bei Metschotka das Schöpfwerk abgeschnitten, es funktionierte nicht; es gab kein Wasser. Man löschte aus eigener Kraft. Es waren Selbstschutz-Gruppen und selbständige Gruppen da, die nicht schlecht arbeiteten. Nach einer halben Stunde waren die Brände gelöscht, dann flammten sie wieder auf, es war Zeitverschwendung gewesen. […] Den Kommandoapparat hatte ich über die Wolga geschickt. Das hatte ich auf eigene Initiative getan, denn es hätte Opfer geben können. Von uns im Bezirkskomitee ist niemand umgekommen. Die Leute blieben am Leben, und jetzt stehen sie uns zur Verfügung. Drei Sekretäre des Bezirkskomitees und die Vorsitzende des Bezirks-Exekutivkomitees sind hiergeblieben. Zwei Sekretäre sind Frauen, die Vorsitzende ist auch eine Frau, der dritte Sekretär ist ein Mann. Wir wurden Frauenbezirk genannt. […]
Im Verlauf von drei, vier Tagen wurde alles in die Ruinen verwandelt, die Sie jetzt sehen.
Major Demtschenko (Kommandant Stalingrads): Beim ersten Bombardement wurden etwa 10000 Personen getötet. In dieser Zahl sind auch Kriegsgefangene enthalten, die es hierher verschlagen hatte. Hunderte wurden in Kellern verschüttet. Ich weiß, dass in einigen Kellern zwei-, dreihundert Leute saßen. […] Am ersten Tag wurden bis zum Abend 37 Flugzeuge [334] abgeschossen. Können Sie sich vorstellen, wie viele es insgesamt waren? Um die 20, 30 Flugzeuge griffen im Sturzflug jede Flak-Batterie an, um die Flak zu zerstören.
Pigaljow (Vorsitzender des Sowjetkomitees, Stadt Stalingrad): Meine Meinung als die eines Nichtmilitärs ist die, dass er [der Feind] die Bevölkerung demoralisieren wollte. Er wusste, dass wir niemanden evakuiert hatten. Überall sind Brände und Bomben, die Bevölkerung dreht nach so einem Schlag sofort durch, eine kolossale Panik entsteht, die Führung verliert den Kopf, und auf diese Weise kann man schnell die Stadt erobern, während die militärischen Kräfte nicht rechtzeitig eintreffen.
Weil wir aber die Verteidigungslinie angelegt hatten und er von Norden und Süden aus noch nicht durchgebrochen war, bekamen wir die Möglichkeit, uns zu organisieren.
In den drei Tagen, in denen die Stadtteile der Reihe nach bombardiert wurden, holten wir die Leute aus den Gräben, aus der Deckung und machten uns an den Wiederaufbau. Es wurde beschlossen, die Wasserleitung instandzusetzen, die Brotfabrik instand zu setzen, den Strom wieder zum Fließen zu bringen und sogar die Straßenbahn instandzusetzen. Für die Stadt wurde eine Notstandskommission gegründet.
Major Demtschenko (Kommandant Stalingrads): Während der Bombardierung wurde eine Kommission gegründet, um entscheidende Maßnahmen zur Wiederbelebung der städtischen Wirtschaft zu ergreifen. […] Bomben hin, Bomben her, die Bevölkerung muss essen, die Wirtschaft muss irgendwie organisiert werden. Vorsitzender der
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