Die standhafte Witwe
ich all meine Sünden bereits begangen.«
»Das kannst du nicht ernst meinen.«
»Aber absolut, Johanna.«
»Gabriel, du begehst doch nicht nur die Sünde des Diebstahls«, belehrte sie ihn. »Du planst sie auch noch.«
Sie sah ihn an, als erwarte sie eine Antwort darauf. Er zuckte nur die Schultern. Johanna schüttelte ungläubig den Kopf.
»Es steht dir nicht an, mich zu kritisieren, Frau.«
Doch statt einer Entschuldigung hörte er Widerspruch. »0 doch, es steht mir durchaus zu, dich zu kritisieren, M’lord, wenn es um deine Seele geht. Es steht mir ebenso zu, dich zu belehren, Sir, denn ich bin deine Frau und habe daher ein Mitspracherecht, was dein Seelenheil angeht.«
»Das ist lächerlich«, entgegnete er.
Er hätte fast gelacht, konnte sich aber gerade noch zurückhalten. »Du findest es lächerlich, daß ich mir Sorgen um dich mache?«
»Tust du das?«
»Aber ja, natürlich.«
»Dann fängst du an, mir Zuneigung entgegenzubringen?«
»Das hab’ ich nicht gesagt. Du drehst mir die Worte im Mund um. Ich mache mir über deine Seele Sorgen.«
»Ich brauche weder deine Sorge noch deine Lektionen.«
»Eine Frau hat das Recht, ihre Meinung zu sagen, oder etwa nicht?«
»Ja«, stimmte er zu. »Wenn sie danach gefragt wird, natürlich.«
Sie ignorierte seine Präzisierung. »Und meiner Meinung nach solltest du das, was du brauchst, erwerben.«
Er konnte seine Ungeduld kaum noch verbergen. »Wir haben nichts, was für den Handel taugen würde«, sagte er. »Und im übrigen – wenn die anderen Clans nicht in der Lage sind, das zu schützen, was ihnen gehört, dann verdienen sie, daß man es ihnen wegnimmt. So geht es bei uns, Frau. Du wirst dich daran gewöhnen.«
Für ihn war das Thema abgeschlossen, aber nicht für sie. »Eine derartige Rechtfertigung …«
»Ruh dich aus«, befahl Gabriel, als er die Tür hinter sich zuzog.
Sie war mit einem sturen Esel verheiratet. Johanna beschloß, ihren Mann nicht mehr auf das Thema Stehlen anzusprechen. Gabriel hatte recht. Es stand ihr nicht zu, ihn oder einen anderen der Clansmänner zu belehren. Wenn sie alle bis in die Ewigkeit in der Hölle schmoren wollten – bitte! Was kümmerte es sie!
Johanna verbrachte den Morgen damit, mit Pfeil und Bogen zu trainieren, und den Nachmittag, Auggies sinnloses, aber höchst vergnügliches Spiel zu spielen.
Auggie war zu ihrem einzigen Freund geworden. Er sprach nur Gälisch mit ihr, und sie stellte fest, daß ihr die Sprache viel leichter fiel, je entspannter sie war. Der alte Mann war geduldig und verständnisvoll und beantwortete ihr jede Frage, die sie stellte.
Diesmal sagte sie ihm, wie schrecklich sie Gabriels Diebstähle fand. Auggie war jedoch nicht ihrer Ansicht, er fand das Verhalten seines Clansherrn sehr gerissen.
Sie standen oben auf dem Hügelkamm und schlugen ihre Steine, während sie über Johannas Sorgen sprachen. Die meisten Steine zersprangen unter der Kraft ihrer Schläge.
»Die Engländer haben unsere Reserven vernichtet. Unser Clansherr wird dafür sorgen, daß der Clan diesen Winter nicht zu hungern braucht«, sagte Auggie. »Wie kannst du das als Sünde bezeichnen?«
»Er stiehlt!« entgegnete sie empört.
Auggie schüttelte den Kopf. »Gott wird das verstehen.«
»Es gibt immer mehrere Wege in die Burg, Auggie. Gabriel sollte eine andere Möglichkeit finden, die Leute zu ernähren.«
Der alte Mann brachte seinen Stecken an dem runden Stein in die richtige Position, stellte die Beine etwas auseinander und schwang dann seinen Schläger. Er blinzelte in die Sonne, um zu sehen, wie weit der Stein flog, und nickte dann zufrieden. Schließlich wandte er sich wieder seiner Herrin zu.
»Mein Stein ist dreimal so weit wie ein Pfeil geflogen. Es gilt ihn zu schlagen, kleine Grüblerin. Sieh zu, daß du deinen Stein direkt neben meinem landest.«
Johanna konzentrierte sich auf das Spiel. Als sie ihren Stein tatsächlich neben dem Auggies plazierte, johlte er überrascht und lachend auf.
»Du hast ein Händchen für das Spiel, Kind«, lobte er sie. »Aber wir sollten jetzt langsam zurückkehren. Ich habe dich viel länger von deinen Pflichten abgehalten, als ich das Recht dazu habe.«
»Ich habe keine Aufgaben«, platzte sie heraus. Sie klemmte sich den Stecken unter den Arm und wandte sich an ihren Freund. »Ich habe versucht, die Leitung des Haushalts zu übernehmen, aber niemand hört auf mich. Die MacBains sind natürlich etwas höflicher. Sie lächeln freundlich zu meinen
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