Die standhafte Witwe
ständig beruhigend auf ihn einredete, zog sie ihn fast die restlichen Stufen hinauf. Ihr Rücken schien brechen zu wollen, aber als sie die letzte Stufe geschafft hatten, fand der Hund neue Kraft und wand sich aus ihren Armen. Er knurrte sie wieder an und taumelte durch die Türöffnung.
Dumfries hielt am Kopf der Treppe an, die in die große Halle hinunterführte. Johanna kam ihm wieder zur Hilfe, und halb tragend, halb ziehend schleppte sie ihn hinunter.
Die Männer, die die letzten Arbeiten an der Feuerstelle erledigten, zogen sich hastig zurück, als Dumfries auf sie zustolperte. Der Hund lief ein paarmal vor dem Feuer hin und her und begann dann zu winseln. Offenbar konnte er sich vor Schmerz nicht hinlegen.
Megan kam mit den Dingen, die Johanna verlangt hatte, nach unten geeilt und wurde von ihrer Herrin mit der Anweisung zurückgeschickt, die Decke ihres Bettes zu holen.
»Ich hole eine frische aus der Truhe, M’lady«, rief Megan.
»Nein«, widersprach Johanna. »Nimm die vom Bett, Megan. Der Geruch meines Mannes wird Dumfries beruhigen.«
Ein paar Minuten später warf Megan ihrer Herrin die Decke zu. Johanna kniete sich auf den Boden und machte dem Hund einen Schlafplatz zurecht. Als sie fertig war, schlug sie leicht auf die Decke und wies den Hund darauf.
Dumfries torkelte noch einmal vor dem Feuer hin und her, dann brach er auf der Decke zusammen.
»Ihr habt den Hund hineinbekommen, M’lady«, flüsterte Keith. »Das war eine großartige Leistung.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das war leicht«, antwortete sie. »Was jetzt kommt, wird etwas schwieriger. Ich werde ihm die Wunde nähen. Und ich habe große Angst, denn Dumfries wird wohl kaum verstehen, daß ich ihm helfen will.«
Sie streichelte Dumfries’ Hals, bevor sie sich über die tiefe Wunde an seiner Flanke beugte.
»Das könnt Ihr nicht ernst meinen, M’lady. Der Hund wird Euch umbringen, wenn Ihr die Wunde berührt.«
»Das hoffe ich inbrünstig nicht«, erwiderte Johanna.
»Aber Ihr habt Angst vor ihm«, erinnerte sie der Soldat.
»Ja«, gab sie zu. »Und wie. Aber das ändert nichts daran, oder? Dumfries ist dennoch schwer verletzt, und ich werde ihn dennoch nähen müssen. Leila? Hast du die Fläschchen mit Kräutern und Medizin gefunden?«
»Aye, M’lady.«
Johanna wandte sich um und entdeckte Leila und Megan Seite an Seite auf der obersten Stufe. Megan hielt die Nadel und das Knäuel weißen Garns hoch, während Leila den grauen Beutel ihrer Herrin umklammert hielt.
»Bring sie bitte her und leg sie auf die Decke.«
Weder Leila noch Megan bewegten sich. Als Johanna ihnen ungeduldig winkte, setzten sie sich langsam in Bewegung, blieben dann aber abrupt stehen. Dumfries war wieder bei Bewußtsein und stieß erneut ein tiefes, kehliges Knurren aus. Es war ein Geräusch, das Johanna ohne Schwierigkeiten einem entflohenen Höllendämon zugeordnet hätte. Es jagte einem eine Gänsehaut über den Körper.
Die Frauen hatten Angst, sich näher heranzuwagen, und diese Erkenntnis überraschte Johanna. Sie hatte gedacht, sie wäre die einzige, die den Hund beängstigend fand. Sie hatte Mitleid mit den Frauen und stand auf, um die gewünschten Dinge von ihnen zu holen.
»Bitte seid vorsichtig, M’lady«, flüsterte Leila.
Johanna nickte. Einige Minuten später war sie bereit, ihre Arbeit zu beginnen. Keith wollte keinesfalls das Risiko eingehen, daß sie gebissen wurde, während sie arbeitete, also kniete er sich hinter Dumfries und hielt sich bereit, seinen Hals zu packen und ihn niederzudrücken, sobald er Anstalten machte, nach seiner Herrin zu schnappen.
Der Hund überraschte sie beide. Er gab keinen Laut von sich, während sie die Nadel in ihn hineinstach. Johanna gab allerdings genug Laute für beide von sich. Sie murmelte unablässig Entschuldigungen und stöhnte jedesmal auf, wenn sie das Leintuch, das mit einer reinigenden Tinktur getränkt war, auf die Wunde drückte. Sie wußte, daß die Medizin brannte, und so blies sie auf jeden Fleck, auf den sie die dicke Flüssigkeit aufgetragen hatte.
Mitten in das Chaos platzte Gabriel herein. Johanna hatte gerade die Nadel durchgezogen, als sie die Stimme ihres Mannes hinter sich hörte.
»Was zum Teufel geht hier vor?«
Johanna stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus. Noch auf den Knien drehte sie sich um und sah zu ihrem Mann auf. Herr im Himmel, sie war noch nie so erleichtert gewesen, ihn zu sehen. Sie sah zu, wie er durch die Halle kam und vor ihr
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