Die standhafte Witwe
dauerte lange, ehe Gabriel über den Sorgen um seine zarte, kleine Frau endlich einschlief.
KAPITEL 9
Noch bevor er am folgenden Morgen die Augen öffnete, wußte Gabriel, daß seine Frau nicht mehr neben ihm im Bett lag.
Verflucht, es dämmerte gerade erst, und als Clansherr und Ehemann mußte er doch zuerst das Bett verlassen! Seine Verärgerung milderte sich allerdings etwas ab, als er daran dachte, daß sie vermutlich unten in der großen Halle auf ihn wartete. Er erinnerte sich, wie besorgt sie am Abend zuvor um Dumfries gewesen war, und nahm an, daß sie sich wahrscheinlich bereits um das Tier kümmerte.
Das Maclaurin-Plaid hing über einem Stuhl. Offenbar hatte Johanna die Tage verwechselt, denn sie trug nun schon zum zweiten Mal hintereinander die MacBain-Farben. Ganz bestimmt würden die Maclaurins furchtbar pikiert darüber sein, und verdammt noch mal, er hatte keine Zeit, sich mit solchem Unsinn zu beschäftigen.
Sowohl Keith als auch Calum warteten unten auf ihn. Sie verbeugten sich, als er im Eingang erschien.
»Wo ist meine Frau?«
Die beiden Männer tauschten beunruhigte Blicke aus, dann trat Calum vor, um zu antworten. »Wir dachten, sie sei oben bei Euch, MacBain.«
»Ist sie aber nicht.«
»Wo ist sie dann?« fragte Calum.
Gabriel funkelte den Soldaten an. »Das habe ich ja euch gerade gefragt!« fauchte er.
Dumfries hob den Kopf, als er die Stimme seines Herrn hörte. Seine Rute klopfte auf die Binsen. Gabriel ging zu ihm, hockte sich neben den Hund und streichelte ihm den Hals.
»Muß ich dich nach draußen tragen, Dumfries?«
»Lady Johanna hat Euren Hund schon rausgebracht, Clansherr.«
Leila stand im Türrahmen, als sie es ihm mitteilte. Sie eilte die Treppen hinunter, lächelte Calum und Keith zu und wandte sich dann an MacBain. »Sie hat ihm auch Futter und Wasser gegeben. Sie läßt Euch sagen, Eurem Hund gehe es heute schon viel besser.«
»Wie kann sie das schon so früh behaupten?« fragte Keith.
Leila lächelte. »Das habe ich sie auch gefragt, und sie hat mir gesagt, daß sich sein Knurren schon viel kräftiger anhört. Also meinte sie, es müßte ihm besser gehen.«
»Wo ist sie?« verlangte Gabriel zu wissen.
»Sie ist reiten gegangen«, antwortete Leila. »Sie meinte, der Tag wäre zu schön, um drinnen zu hocken.«
»Meine Frau ist allein reiten gegangen?«
Gabriel wartete nicht erst auf eine Antwort. Er murmelte einen finsteren Fluch und stürmte aus der Halle. Keith und Calum beeilten sich, ihm zu folgen.
»Ich übernehme die volle Verantwortung, sollte unserer Herrin etwas zustoßen«, verkündete Keith. »Ich hätte sie aufhalten müssen. Heute bin ich mit Aufpassen dran«, setzte er hinzu. »Verdammt, ich wünschte, sie würde bleiben, wo sie hingehört!«
»Aber sie hat das MacBain-Plaid getragen«, rief Leila.
»Das war nicht richtig«, sagte Keith.
»Hat sie aber trotzdem, Sir.«
Calum kratzte sich am Kinn. »Dann hat sie die Tage verwechselt«, überlegte er laut. Er zwinkerte Leila zu, als er an ihr vorbeiging, dann beschleunigte er seinen Schritt, um Keith einzuholen.
Gabriel unterdrückte seine Sorge, indem er in Wut geriet. Er hatte seiner Frau in den letzten Wochen exakte Anweisungen gegeben. Sie sollte sich ausruhen, verdammt! Allein durch die Wälder zu reiten, in denen es von Wölfen wimmelte, entsprach nicht gerade seiner Vorstellung vom Ausruhen. Mußte er sie erst einsperren? Und bei Gott, damit würde er ihr drohen, sobald er sie gefunden hatte.
Sean, der Stallmeister, sah seinen Clansherrn herankommen und bereitete sofort Gabriels Hengst für die tägliche Jagd vor. Er führte soeben die schwarze Schönheit aus dem Stall, als Gabriel ihn erreichte. Er riß dem Stallmeister die Zügel aus der Hand, erwiderte knurrend Seans Gruß und saß mit einer flüssigen Bewegung auf. Als er die Wiese erreichte, hatte er sein Pferd schon in vollen Galopp getrieben.
Auggie hörte das Trommeln der Hufe und hob den Kopf. Er lag auf den Knien und war gerade dabei, die Entfernung von einem Loch zu einem anderen zu messen, das er gerade gegraben hatte. Hastig kam er auf die Füße und verbeugte sich, als sein Clansherr sein Tier nur wenige Zentimeter vor ihm zum Stehen brachte.
»Einen guten Tag, Clansherr MacBain.«
»Dasselbe für dich, Auggie«, erwiderte Gabriel. Er blickte rasch über die Wiese, dann wandte er sich wieder an den alten Krieger. »Hast du meine Frau gesehen?«
»Ich sehe sie immer noch, MacBain.«
Auggie machte eine Geste mit der
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