Die standhafte Witwe
stehenblieb. Er hatte die Hände in die Hüften gestemmt und hielt seinen Blick auf seinen Hund gerichtet.
Augenblicklich kam Keith auf die Füße. Die anderen Soldaten, die ihm in die Halle gefolgt waren, traten zurück, um Keith Platz zu machen.
»Ich vermute, Dumfries hat einen Zusammenstoß mit ein oder zwei Wölfen gehabt«, spekulierte Keith.
»Glaubt Ihr, er ist auf unseren Liebling gestoßen?« fragte Gabriel, der sich nun an Keiths Seite stellte.
Johanna konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Sie machte einen Knoten in das Garn, legte die Nadel ab und griff nach dem zweiten Fläschchen Medizin.
»Hast du noch ein anderes Haustier, M’lord?« fragte sie, während sie die gelbe Tinktur auf den Schnitt tupfte. Für die Heilsalbe, die sie auf die Wundränder strich, benutzte sie ein anderes Leintuch.
»Die Maclaurins nennen einen bestimmten Wolf ›Liebling‹. Deine Hände zittern.«
»Das merkte ich.«
»Warum?«
»Dein Hund macht mir angst.«
Johanna hatte genug Medizin auf die Wunde getupft. Die Salbe würde nicht nur den Riß vor Entzündung schützen, sie hatte auch den segensreichen Nebeneffekt, die Stelle zu betäuben. Dumfries würde das Pieksen der Nadeln nun kaum noch spüren.
»Und trotzdem kümmert sie sich um ihn, Clansherr.«
»Das sehe ich selbst, Keith«, schnappte Gabriel.
»Der schwierige Teil ist geschafft«, sagte Johanna. »Dumfries wird nicht mehr viel von dem Nähen spüren. Außerdem …«
»Außerdem was?«
Sie flüsterte ihre Erklärung, aber Gabriel verstand kein Wort. Er kniete sich neben seine Frau und legte eine Hand auf den Hals des Hundes. Sofort versuchte Dumfries, seine Hand zu lecken.
»Was hast du gesagt?« fragte er Johanna, während er seinen Hund streichelte.
»Ich sagte, außerdem bist du jetzt da«, flüsterte sie. Sie warf ihm einen Seitenblick zu, sah seine arrogante Miene und setzte schnell hinzu: »Das wird Dumfries trösten. Er hat dich so gern, M’lord. Er weiß bestimmt, daß du ihn vor allem schützen wirst.«
»Das weißt du auch, Johanna.«
Sie wußte, daß er ihre Zustimmung erwartete. Wahrscheinlich würde sich seine Arroganz ins Unermeßliche steigern, wenn sie zugäbe, daß sie sich in seiner Nähe tatsächlich sicher fühlte, und hielt deswegen den Mund.
Sie brauchte nicht lange, um die Wunde vollends zu nähen. Gabriel half ihr, breite Baumwollstreifen um die Flanke zu wickeln und band die Enden zusammen.
»Er wird den Verband nicht lange unberührt lassen«, prophezeite Gabriel.
Sie nickte. Plötzlich fühlte sie sich unglaublich müde. Wahrscheinlich hatte die Angst all ihre Kräfte aufgezehrt.
Sie suchte ihre Sachen zusammen und stand auf. Hinter ihr hatte sich eine Menge von neugierigen Männern und Frauen versammelt. Johanna entdeckte auch Glynis und wandte augenblicklich ihren Blick ab.
»Sie hat Euren Hund reingeschleppt, MacBain. Aye, sie hat es getan!«
Während Keith seine etwas übertriebene Version erzählte, drängte Johanna sich durch die Menge. Sie eilte die Treppe hinauf, den Flur entlang und betrat ihre Kammer. Dort streifte sie die Schuhe ab und streckte sich auf dem Bett aus. Sie wollte nur ein paar Minuten ausruhen und dann zum Essen in die Halle zurückkehren.
Kurz darauf war sie eingeschlafen. Zweimal an diesem Abend kam Gabriel hinein, um nach ihr zu sehen, und ging schließlich gegen Mitternacht zu Bett, nachdem er sichergestellt hatte, daß Dumfries bequem und warm schlafen konnte.
Johanna bewegte sich kaum, als ihr Mann ihr die Kleider auszog. Sie öffnete einmal kurz die Augen, sah ihn finster an und schlief dann schnell wieder ein. Gabriel holte eine saubere Decke aus der Truhe und breitete sie über seine Frau, bevor er seine eigenen Kleider ablegte. Dann schlüpfte er neben sie ins Bett.
Er mußte nicht nach ihr greifen. Kaum hatte er sich ausgestreckt, rollte sie sich in seine Arme. Er zog sie fest an sich, und sie kuschelte ihren Kopf unter sein Kinn.
Gabriel rekapitulierte im Kopf die Geschichte, die Keith ihm erzählt hatte. Er versuchte sich vorzustellen, wie seine Frau die Arme um den schweren Hund schlang und ihn die Stufen hinaufzerrte.
Der Mut, den sie bewiesen hatte, gefiel ihm. Dennoch würde er nicht zulassen, daß sie noch einmal ein solches Risiko auf sich nahm. Dumfries hatte große Schmerzen gehabt, und egal, wie treu er auch sonst sein mochte, einem verwundeten Tier durfte man nicht trauen.
Morgen würde er ihr befehlen, sich nie wieder in solche Gefahr zu bringen. Es
Weitere Kostenlose Bücher