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Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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alte Herr hatte betont, Nikolai müsse das Beobachten mit all seinen Sinnen, den inneren wie äußeren, üben. Einer dieser Sinne hatte ihn heute so früh geweckt, wurde Nikolai jetzt klar. Die vormorgendliche Dunkelheit war still bis auf die Geräusche des Wassers, das Knarren der Schiffsplanken und den fernen Schrei einer einsamen Möwe. Und trotzdem ... stimmte irgendetwas nicht.
    Mehr neugierig als besorgt stand Nikolai auf und zog seine alten Sachen an. Bald würden sie ihm zu klein sein, da er in diesem letzten Monat reichlich zugenommen hatte und ordentlich gewachsen war.
    Auf bloßen Füßen verließ er seine winzige Kabine und stieg die Leiter zum Oberdeck hinauf. Dichter Nebel lag über der Hermes und der umliegenden See. Ein Offizier, dessen dunkle Silhouette am Steuer bis auf das schwache Glühen seiner Pfeife fast nicht auszumachen war, stand achtern Wache. Das Schiff bewegte sich sehr langsam, gerade genug, um gleichmäßig auf Kurs zu bleiben.
    Neugierig, was ihn geweckt haben mochte, ging Nikolai zum Bug weiter und stützte die Hände auf die Reling, um das Schlingern des Schiffes auszugleichen. In dem Nebel und der Dunkelheit konnte er kaum mehr als ein paar Meter weit sehen.
    Liefen sie vielleicht Gefahr, auf Felsen oder eine Insel aufzulaufen? Das war eher unwahrscheinlich, falls der Steuermann diese Gewässer kannte, und selbst wenn ihm ein Navigationsfehler unterlaufen war, verringerte ihr langsames Tempo die Gefahr einer ernstlichen Beschädigung.
    Nikolai seufzte verdrossen. Vielleicht würden sich in zwei, drei Jahren seine magischen Fähigkeiten entfalten, und er würde bestimmen können, was ihn in Unruhe versetzte. Oder vielleicht auch nicht. Wie Polmarric immer wieder betonte, war Magie ein Werkzeug für den Umgang mit der Welt, aber kein erprobter Quell der Wunder.
    Ein Plätschern ertönte irgendwo vor ihm. Ein Schwarm Fische, die durchs Wasser tollten? Es war schwer, die Richtung des Geräuschs im Nebel zu bestimmen.
    Er wollte sich gerade abwenden und zu seiner Kabine zurückgehen, als ein flacher, dunkler Schatten mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus dem Dunst auftauchte. Es war ein Schiff - eine Galeere, deren Dutzende von Rudern rechts und links des Rumpfes es pfeilschnell auf den Schoner zutrieben. Seeräuber!
    Nikolai erstarrte vor Entsetzen. Seit Jahrhunderten hatten nordafrikanische Piraten nicht nur Schiffe, sondern auch Meeresküsten angegriffen, um Sklaven zu machen, und Malta hatte mehr als seinen Teil an Überfällen hinnehmen müssen. Als er sich von seinem Schreck erholte, brüllte er, so laut er konnte: »Piraten!«
    Sobald er Alarm geschlagen hatte, brach die Hölle los. Nachdem die Piraten nun gesichtet worden waren, begannen sie, verrücktzuspielen und eine Breitseite von Musketenschüssen nach der anderen abzugeben. Nikolai duckte sich, als die Kugeln in das Holz um ihn herum einschlugen. Der Offizier am Achterdeck fluchte und riss an dem Glockenstrang, um eine Warnung abzugeben. Halb nackte Männer mit Waffen in den Händen begannen, von unter Deck heraufzuströmen.
    Als Nikolai sich wieder aufrichtete, rammte der gepanzerte Bug der Galeere die Hermes und krachte nur wenige Fuß unterhalb von ihm gegen den Rumpf des Schoners. Der heftige Aufprall riss ihn von den Füßen, bei seinem Sturz schlug er mit dem Kopf gegen die Reling und verlor vorübergehend das Bewusstsein.
    Als er wieder zu sich kam, war schon ein heftiger Kampf an Deck im Gange. Ein scharfer Wind zerriss nun auch den Nebel, und im Licht des mittlerweile aufgeklarten Himmels war zu erkennen, dass die beiden Schiffe mit Enterhaken aneinanderhingen. Zwanzig oder mehr turbantragende Piraten waren an Bord der Hermes ausgeschwärmt. Die Besatzung und die Passagiere des Schoners verteidigten sich mit Schwertern, Pistolen und allem anderen, was ihnen als Waffe dienen konnte. Wolken schwarzen Rauchs brannten in den Augen und den Lungen.
    Nur mit losen Hemden und Unterwäsche bekleidet, standen Macrae und Polmarric im dichtesten Kampfgetümmel, der Schotte wild mit einem Breitschwert um sich schlagend, Polmarric mit zwei Pistolen in den Händen. Nikolai wollte zu Macrae rennen, war aber zu schwach, um sich zu rühren. Während er in dem Winkel unter dem Bug kauerte, verfolgte er entsetzt den Kampf und fragte sich, wieso die Wächter keine Magie anwandten, um ihn zu beenden. Sie mussten doch etwas tun können! Oder hatte Macrae für diesen plötzlichen scharfen Wind gesorgt?
    Nikolai schnappte nach Luft, als

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