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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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den damaligen Generalleutnant Wolf mit gebotenem Eifer Fremdenführer spielte, flogen zwischen der DDR-Botschaft Bragevägen 2 und der Ostberliner Zentrale Normannenstraße verschlüsselte Depeschen hin und her. Die Stasi zählte in Stockholm »sieben bis acht Mitarbeiter«: Funker, Sekretärin, Beauftragte für Innere Sicherheit. In Erwartung des SED-Bonzen mietet der Gehilfe am 26. Juni bei scandinavia europcar einen Volvo, Baujahr 77. Auf den Fotos schwedischer Aufpasser ist die Nummer JWH 856 zu erkennen. Wolf fuhr im Trabiland DDR einen 244-SLS der gleichen Marke. L. meint, es könnte sein, dass er den Hausmeister Rainer M., intern »Mädchen für alles«, zum Wagenholen schickte. Zur Fähre kommt er jedoch selbst mit dem Dienst-Fiat in vorgeschriebener dunkler Farbe und lotst die Crew über eine gute Stunde Wegs zur Adresse Alingsåsvägen 40. Die Blocks des Viertels Hammarbyhöjden, zwischen Birken und Kiefern, gleichen sozialistischer Architektur. Wolf zieht in die dritte Etage rechts ein. Am Klingelschild stand unter fünf Einheimischen noch der Name des ein Jahr zuvor ausgezogenen Jürgen G., Fahrer des DDR-Militärattachés. Der weiß bis heute nur vom Hörensagen, wer in der Bleibe unterkam.
    Blickfang der von der Botschaft bezahlten Zweizimmerwohnung ist die Schrankwand Karat, DDR-Modell, Eiche hell. Dazu Couchgarnitur, Essecke und der Fernseher Orient, ungarisches Fabrikat. Im Regal sechs Bände Lenin, rot gebunden. Das lupenreine Zonen-Ambiente motzte der Quartiermacher dem Anlass entsprechend auf. L. druckst herum, wenn die Rede auf das kommt, was lange Stasi-Klatschstoff lieferte. Nämlich wie er für Wolf »die Bude uff Vordermann brachte«. Als hätten sie mit am Tisch gesessen, petzten alte Spezln: Bettzeug, Vasen, Blumen, Dimmerlampe, Krimsekt, Wodka, gut gefüllter Eisschrank, alldas habe bereitgestanden. »Quatsch«, bellt L., von nennenswerten Dingen könne keine Rede sein. Er habe erwogen, einen Farbfernseher reinzustellen. Das sei nicht gewünscht worden. Eigens bekam Mischa nur ein »Clockradio« ans Bett. Da er an der Gebrauchsanweisung scheiterte, musste der Helfer zum Dolmetschen ran. Fürsorglich dachte er an den Föhn für Christa, Wolfs zweite Frau.
    Mischa hatte die zwanzig Jahre jüngere Schneiderin kurz zuvor geheiratet. Nun beschnupperte die adrette »Christel« unterm Falschpass D 11975 die »verwirklichte politische Utopie«. Das war Schweden damals für Linke. Viel prosaischer das in der HVA kursierende Gerücht, der Vorturner habe sich den Agententreff mit der ihm eigenen sentimentalen Entschlossenheit »zusammengeschaukelt«, Tourist in eigener Mission. Empfänglich für den süßen Reiz des Verbotenen, habe er seiner Flamme mit dem Abenteuer Kapitalismus imponieren wollen. Ex-Stasi-Oberstleutnant und Buchautor Günter Bohnsack
(Die Legende stirbt)
, bleibt das Motiv ein Rätsel: »Keener hat eingesehen, dass det dringlich sein konnte.«
    Nach den Erinnerungsfetzen von L. lief das verschlüsselt mit ihm abgestimmte Programm auf sehr normale Bedürfnisse hinaus. Ein Besuch im »Supermarket« etwa zählte zu den ausdrücklichen Ostberliner Vorgaben. Weit draußen im Südwesten Stockholms an der E 4/E20 habe sich der passende Konsumtempel gefunden: »Nicht Ikea.« Oder der Abstecher ins nahe Uppsala. »Ich war nicht dabei«, erklärt L. An Devisen herrschte kein Mangel, »die Finanztante«, Oberstleutnant Ingrid Conrad, rückte für HVA-Reisende die Kohle raus. Zudem verfügte die Residentur über eine »Dauerreserve«, die Insider auf 10 000 Mark Bares beziffern. L. rechnete die Kosten der in jeder Beziehung unvergesslichen Partie »auf Heller und Pfennig ab«. Die Zecheist dem Verdrängungskünstler entfallen: »Ich bitte Sie, das ist zwanzig Jahre her.«
    Die DDR-Botschaft Stockholm führte der Diplomat Wolfgang Kiesewetter. Laut einer CIA-Liste gebot er über insgesamt 36 Mitarbeiter. Brav steht im Verzeichnis ein von der Säpo angeworbener »mittlerer Bediensteter«. Der Informant gab den Hinweis auf die avisierte Delegation »bereits im Vorfeld«. Es hätte keines Verräter bedurft, die Späher mussten nur die inneren und äußeren Anzeichen kombinieren. Schon der Doktor vor Wolfs Deckname erregte Aufmerksamkeit. Obwohl der Apparatschik an siebzig Orden und Ehrenzeichen schleppte, half das Lametta seiner Vorliebe für akademische Titel nicht ab. Vom Offizier Bohnsack stammt die Anekdote, der »Lange« habe sich in Berlin sogar unterm Alias »Dr. Förster« die Haare

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