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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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der anderen Feldpostnummer im Hotel Vier Jahreszeiten getroffen zu haben, war es eindeutig das Conti am Karolinenplatz. Mit am Tisch saß »Nolde«,den kannte Großmann schon durch Dokumente des HVA-Agenten »Buntspecht«. Ebenso war ihm BND-Beschaffer Foertsch »vom Papier her vertraut«. Zentrale Enthüllung der Sitzungen (weitere folgen bis 1993): die Quelle »Gisela«. »Für uns eine absolute Neuigkeit«, bekräftigt ein Insider. Ihre wahre Identität kannte nicht mal Großmann, porträtierte sie in groben Zügen: alleinstehende Akademikerin, behindertes Kind. Das genügte. In Pullach flog Regierungsdirektorin Gabriele Gast auf. Die Verlobte des MfS-Romeos Karl-Heinz Schneider spionierte 20 Jahre den BND aus.
    Der Hausherr schneuzt und schnupft. »Cherry« kläfft wie blöd. Von draußen Hämmern und Bohren. Schrille Begleitmusik für die Frage nach der reichen Belohnung, die der »Kardinal« doch gewiss für die Beichten erhalten habe. Er ist nicht der Mann, der bei solchen Vorwürfen stillsitzt. Es dauert keine Sekunde, bis Charly förmlich die Brust spannt: »Absoluter Quatsch, absolut unmöglich.« Von wegen Judaslohn und die berühmten Silberlinge, von denen seine Gegner sprechen, die ihn erbärmlicher Schäbigkeit zeihen: »Ich hätte eine Million verlangen können und hätte die auch gekriegt. Ich habe jedoch gar nichts gefordert.« Laut Charly gab’s »nicht eine Mark«. Und vom Ami? »Nicht einen Pfennig.«
    Ohne Zögern kommt über seine Lippen: »Vielleicht zehnmal reiste ich zum Verfassungsschutz nach Köln.« Es gab Auslagenerstattung. 18 000 Mark dürften das gewesen sein. »Ich habe weder Plus noch Minus gemacht.« Ebenso habe der BND »Reisekosten und Aufwendungen« bezahlt. Die Rede ist von 22 000 Mark. »Könnte hinkommen.« Reizwort Kopfgeld? »Ich habe nicht mal was verdient bei dem Ganzen. Alles andere ist ’ne Lüge!«
    Diese Zahlen liegen weit unter den phantastischen Summen, die in der Stasi-Szene kursieren und bis 100 000 Mark gehen. Davonaufgeschreckt, befassten sich Ende 1998 die Geheimdienst-Kontrolleure des Bundestags mit dem Fall. Im abhörsicheren Kellerraum des Kanzleramts trug der damalige BND-Chef Hansjörg Geiger vor, seine Behörde habe etwa 200 Stasi-Leute befragt, an diese rund 480 000 Mark »operativer Mittel« ausgegeben, darunter besagte 22 000 Mark für Charly. Die eklatante Differenz zwischen solchen Portobeträgen und den umlaufenden Gerüchten ließ den CSU-Abgeordneten Erich Riedl »intensiv nachfassen«: »Wir glaubten nicht, dass die Einvernommenen sich so billig verkauften. Formel-1-Autos kriegt man nicht zum Preis eines Volkswagens.« Insistieren bei BfV-Chef Peter Frisch habe »keine höheren Zahlen ergeben«.
    Die vorher vereinbarte Stunde ist lange vorbei. Da kommt Charly auf den Herbst ’89 zu sprechen. Am 8. November feierte er seinen 60. Geburtstag: »Im Café Moskau, ich hatte die erste Etage gemietet.« Unter Kumpeln zeichnete er die Lage düster: »Das Rad der DDR-Geschichte ist abgelaufen.« Berlin wimmelt von desorientierten Schattenmännern.
    Der Regisseur kühner Operationen gegen die BRD konnte sich leicht ausrechnen: Zur Begrüßung im neuen Deutschland kreuzt der Staatsanwalt auf! Etwas zu forsch geht Großmann die Selbstverteidigung von den Lippen, Furcht vor Strafverfolgung hätte ihn nicht geplagt. »Ich habe keinen Mord begangen.« Vernehmer attestieren ihrem neuen Freund beim Rückblick jedoch nicht nur »Kompetenz und Schläue«. Sie haben auch deutlich im Ohr, wie er »Angst« vor Westermittlern artikulierte. Dieser Druck, sagt einer, der es wissen muss, sei »gewiss mit ein Grund gewesen, sich bei uns zu äußern«.
    Während Charly daheim einen Aufruhr unbekannter Gefühle an sich erlebte, registrierte sein bester Spion beim BfV in Köln noch fleißig die ersten Stasi-Überläufer, meldete weiter an Führungsoffizier»Stefan«. Auf fast vier Seiten hielt Kurons Geständnis später die hereinflatternden Singvögel fest. Paniknah hört Doppelagent Kuron zwei Tage nach der Wiedervereinigung (5. Oktober ’90) im Amt den Namen Karl Großmann. »Referatsgruppenleiter IV B, Gerhardts« quatschte in Kurons Kaffeerunde über ihn: Großmann sei vor einiger Zeit beim Landesamt für Verfassungsschutz Berlin (LfV) gewesen, dort abgewiesen worden. »Totales Blech«, korrigieren Beteiligte. Er war mit den Berlinern längst im Geschäft.
    Die besten Thriller schreibt das Leben: Sechs Jahre zuvor hatte just der »Genosse Oberst Großmann« an Kuron

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