Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
Vom Netzwerk:
Tiefpunkt wird John O. Koehler bei ihm vorstellig, einst Ronald Reagans Pressechef: »Mir bekannt als ehemaliger CIA-Mann.« Man plauschte im Grand-Hotel über ferne Dresdner Schultage. Ergebnis der Anbahnung, wie sie im Stasi-Buch Koehlers steht: »Er erzählte von zahlreichen Amerikanern, die hochsensible US-Militärgeheimnisse der Stasi verraten hatten.« Mit Hilfe des Großen Bruders hätte er die Flatter machen können.
    Großmann wollte sich unwiderruflich von der eigenen Vergangenheit befreien. Das galt speziell für die Beziehung zu Markus Wolf. Ihre wechselseitige Abneigung setzt eine Zeit der Nähe voraus. Für den »Kardinal« verbindet sich mit dem Generaloberst das Bewusstsein der eigenen, vergeudeten Jahre. Diese Wehmut ist durch dessen Entzauberung nicht zu heilen, zumal Charly sich schwertut, sein Handeln offen zu bekennen, zu Widersprüchen zu stehen. Wiewohl es wahrlich Schlimmeres gibt, als der Verachtung Wolfs anheimzufallen, ist er nicht frei von tiefsitzender Beklemmung. Daheim schmiss er alle sichtbaren HVA-Zeichen weg. Geblieben ist indes der Bann der Vergangenheit, eingebranntes Wissen um den Stasi-Treueschwur und den in der DDR mit der Todesstrafe geahndeten Verrat.
    Ein deutsch-deutsches Schicksal? Dem Überläufer bleibt nichts anderes übrig, er muss die gebrochene Vita verteidigen. »Ich bin sehr zufrieden.« Das erwähnt Großmann oft. Er spreche mit »vielen interessanten Leuten«, Ex-Verfassungsschützer Hellenbroich, bekannten SPDlern. »Der Maxl«, Franz-Josef-Strauß-Sohn Max, melde sich gelegentlich. Natürlich kenne er Schalck-Golodkowski: »Alexen«. Mit Floskeln spielt der Prominenteste im Reigen verratener Verräter die Bedrängung herunter: »Ich habe meine Pflicht getan als Bürger dieses Staates.« Eine Fassade der Stärke ist ihm lieber, als Mitleid herauszufordern. So muss ein Konvertit wohl reden. Im bitteren Ton des Gekränkten rutscht ihm jedoch heraus, man habe ihm absolute Diskretion zugesichert. Stattdessen sieht er sich seinerseits bloßgestellt durch den »Vertrauensbruch mir gegenüber«.
    Charly ist vom Leben doppelt betrogen. Beim Abschied hat er eiskalte Hände.

Die Geschichte eines Verdachts
    Der Tod von Jürgen Fuchs
     
     
    Der Schriftsteller Jürgen Fuchs ist tot. Bis zuletzt peinigte ihn der Gedanke, seine Krebserkrankung sei »nicht gottgewollt, sondern menschengemacht« gewesen. Hat die Stasi Fuchs und andere Regimegegner im Gefängnis radioaktiv verstrahlt? Eine Spurensuche.
     
    Hier kommt ein Mann, wie er im Buche steht. Wir kennen den grauhaarigen Herrn, der eben auf die Leipziger Straße tritt, aus Jürgen Fuchs’ Roman »Magdalena«, Seite 410: »Humboldt-Universität zu Berlin, Sektion Kriminalistik, Prof. E. Stelzer, Sektionsdirektor.«
    An Publicity ist dem 67 Jahre alten Ehrenfried Stelzer wenig gelegen. Bis zur Wende führte er ein Doppelleben. Laut Kaderkarteikarte diente der Hochschullehrer der Stasi von 1962 bis Ende 1989 als OibE, »Offizier im besonderen Einsatz«: »Zur offiziellen Abdeckung dieses Status« besetzte er eine vom Ministerium des Inneren »zur Verfügung gestellte Planstelle«. Nach Expertenauskunft brachte ihm die »operativ bedeutsame Dienststellung« rund 4000 Mark monatlich.
    Zu einem Treff hat Stelzer zunächst wenig Lust. Wir wollen mit ihm über die Mutmaßung sprechen, Jürgen Fuchs’ Krebstod sei durch heimliche Verstrahlung in der DDR-Haft ausgelöst worden. Der Autor glaubte, seine Krankheit sei »nicht gottgewollt, sondern menschengemacht« gewesen. Das schreckliche Ende ließ 176 Persönlichkeiten den »dringenden Verdacht« aussprechen: »Mord auf Raten«. In diesem Zusammenhang fällt derName der »Sektion Kriminalistik«. Dort entstanden in den Jahren 1987/88 »Untersuchungen zu chemischen Substanzen mit besonderer kriminalistischer Relevanz«, Institutskürzel »Toxdat«. Das Kapitel 2.3.2 ist mit »Schädigung durch Beibringung radioaktiver Stoffe« überschrieben.
    Stelzer paraphierte links unten mit energischer Handschrift den in fünf Exemplaren vorgelegten Geheimbericht; »ein Original, 4 Xeroxkopien«. Verfasser war Oberassistent Walter Katzung, ebenfalls registrierter »OibE« im Rang eines Majors der Staatssicherheit. »Zum Umgang mit radioaktiven Stoffen Stufe II« berechtigt, zur Mitarbeit »an der Entwicklung geeigneter Mittel und Geräte für den Einsatz chemischer Substanzen« berufen. Unter dem Pseudonym Dr. Werner Groß erklärte Katzung 1993 dem »Stern«: »Uns war klar, dass diese

Weitere Kostenlose Bücher