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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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der Höhe der Macht »zu dem Glauben verleiten ließ, geliebt zu werden«. Dieser Eindruck sei auch von der Umgebung »transferiert« worden: In Wahrheit »war ich dabei, die Erdhaftung zu verlieren«. Trotz Herrschaftswissen und Pendeln zwischen Ost und West erreichte ihn nicht, was auf der Straße gärte. »In der Welt, in der ich groß geworden bin die letzten 40 Jahre, habe ich die Opposition nicht kennengelernt.« Dass sie existierte, habe er gewusst, jedoch nur »an Einzelbeispielen gespürt«. »Ich war ein überzeugter DDR-Bürger«, Protest, der ihn aus dem Amt fegte, war selbst in Alpträumen nicht vorgesehen. »Aus unserer Umgebung ist niemand getürmt!«
    Auf dem Boden des Grundgesetzes gewann der »Held der Arbeit« die revolutionäre Einsicht, dass der Fehler im System lag. »Die DDR war nicht reformierbar. Da hätten wir reden können, wie wir wollten.« Zumal »die äußeren Umstände nicht mehr zur Verfügung standen«, die Sowjetmacht. Einigermaßen versöhnt mit dem Gang der Dinge, sieht er bei der Wiedervereinigung »en kleenet Wunder vollbracht«. Es handle sich bei diesem »in keenem Lehrbuch vorgesehenen Projekt um ’ne Meesterleistung, aber nicht nur von den Westdeutschen«. Er zolle jenen »Respekt, die auf die Straße gingen«, wobei der Insider weiß: »Niemand soll sagen, es hätte nicht genug Leute gegeben, die eine militärische Lösung wollten.«
    Zu den aktuellen Wahrheiten des Gewendeten gehört das Eintreten für »eine leistungsorientierte Gesellschaft«. Nach seinem »heutigen Verständnis ist der Staat untauglich, Arbeitsplätze zu schaffen«. Er wiederholt: »Wenn wir uns auf den Staat verlassen, sind wir verraten und verkauft.«
    Mit ungläubigem Erstaunen lauscht man dem Sinneswandel. In der schon unwirklichen SED-Welt hatte sich der OibE (unter Mielkes wohlwollender Begleitung) für seine Dissertation mit der »Bekämpfung der imperialistischen Störtätigkeit auf dem Gebiet des Außenhandels« befasst. Weil der vom Plan- zum Marktwirtschaftler Mutierte das Ungeheure seiner Verwandlung ermisst – und ahnt, das Plädoyer könnte ihm als vorauseilender Gehorsam ausgelegt werden –, fügt er hinzu: »Ick weess, des hört sich aus meinem Munde schrecklich an.« Sich mangels Alternative weise und geschmeidig mit den Umständen zu arrangieren ist die eine Seite. Die Aussöhnung mit dem früher Bekämpften kommt einer Unterwerfung gleich. Der unterschwellige Aspekt seiner Distanzierung von der alten Ideologie dürfte dann der Wunsch sein, moralische Mitschuld zu tilgen. Indem er seinen Frieden mit dem Kapitalismus macht, erscheint das eigene Scheitern in gnädigerem Licht. Etwas erschrocken über den Bekennermut, ergänzt er: »Die gegenwärtige Wirtschaftsordnung muss und kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.« Als Beispiel nennt er das Steuerrecht.
    Schalck ist gezeichnet von Krankheit und Strahlentherapie. Er hat müde Falten um die Augen, bei aller Wachsamkeit, sein Mienenspiel drückt betrübte Skepsis aus. Er möchte den Punkt nicht vertiefen, »aber schön war det nich«. Seelischer Kummer (der aus Ablehnung seiner Person herrühren mag) verstärkt die Begleiterscheinungen des Älterwerdens. Alles Schwere fällt jedoch von ihm ab, wenn er zitiert, was das »Sport-Echo« einst über den Ringer des SC Hohenschönhausen druckte: »Der prächtig gebaute junge Schalck konnte trotz seiner Niederlage überzeugen.« Der Bundesbürger leidet sichtlich darunter, mit den eigenen Korrekturen am Bild des zwielichtigen DDR-Zeitgenossen nicht durchzudringen: ein Missverstandener auf derganzen Linie, weil er nicht nur eine Person ist, sondern viele in einer. Vordem überzeugter, womöglich verbiesterter Handlanger einer, wie er meinte, guten Sache, der »ich mit Hingabe diente«. Strammes Freund-Feind-Schema im Ehrgeiz inbegriffen. Bis zu 3000 Menschen hörten im abgeschotteten KoKo-Imperium auf sein Kommando, »mit viel Disziplin und innerer Verbundenheit« betrieb er globale Geschäfte. Ob er ein scharfer Chef gewesen sei? Auf dem Grund seiner Leutseligkeit schimmert Härte, die ihn im Gespräch nie die Spur verlieren lässt. Schalcks Leute mussten Schlips tragen, Bärte lehnte er ab.
    An diesem Punkt hielt er sich an einen Vorgesetzten beim »Elektroapparatebau J. W. Stalin, ehemals AEG«. Der bleute dem Feinmechaniker-Lehrling – »wir schreiben das Jahr 1948« – Lebensweisheiten ein, die er fleißig zitiert: Wichtig sei ein solider Beruf und nicht zu vergammeln. Oder: »Die

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