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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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Verhältnisses« zum Jürgen sei er »permanent aufgefordert gewesen, sich zu erklären«. Das ist ihm gelungen. Der Doktor G. machte Karriere. Die »Feindperson« saß, wurde nach Westberlin abgeschoben, bis zum Ende der DDR weiter drangsaliert.
    Manch einer, der Jürgens »Zersetzung« später aktiv betrieb, lernte in G.s Psychologieseminaren an der Stasi-Hochschule, Ängste und Hoffnungen von IMs auszubeuten. Im stillen Kämmerlein fand G. die Jagd auf Fuchs »in den Mitteln und im Aufwand unsinnig«. Mangel an Courage tarnt er heute mit Wortwitz: »Die richtige Antwort wäre gewesen: Wegen Belanglosigkeit einstellen.« Warum der Geheimdienst den aberwitzigen Aufwandgegen das Hassobjekt betrieb? »Fuchs war einfach anders. Er war einfach kantig.«
    G. hat Schuldgefühle gegenüber dem Schriftsteller: »Ganz klar.« In der großen Wende-Leere wollte der gescheiterte Offizier die eigene Beklommenheit loswerden, »gewisse Harmonie und Aussöhnung mit Fuchs versuchen«. Der Täter ging mit dem ihm eigenen entwaffnenden Charme auf das Opfer zu: »Jürgen, wie geht es Lilo?« Er begriff nicht, dass dem Dichter speziell vor Dunkelmännern wie ihm graute, die Psychologie für Repression missbrauchten. Vielleicht hätte der Poet ein paar Probleme weniger gehabt, wenn er G. einfach eine gelangt hätte, statt sich im Roman mit ihm herumzuquälen. Wie er Fuchs als Mensch fand? Verlegen reibt G. an der Nase. Er sei enttäuscht darüber, »dass er die Größe nicht hatte, die Bitternis abzulegen«. Was den Verstrahlungsverdacht betrifft, findet er »die Fragestellung berechtigt«. Sein Erfahrungshintergrund sage ihm aber, »da ist null«: »Für Mutmaßungen kann ich nicht zur Verfügung stehen.«
    G. arbeitet nun in der Altenhilfe. Bei der Gauck-Behörde bemüht sich endlich eine »Recherchegruppe« um den Komplex. »Anzeige wegen Mordes« ist erstattet. An der Humboldt-Uni hütet ein Datenschützer die – womöglich aufschlussreichen – Akten der Sektion Kriminalistik, als wäre er eine Figur des in »Magdalena« beschriebenen Schweigekartells. Professor Stelzer betreibt ein Institut für Wirtschafts- und Umweltsicherheit e.V. Zu den Vereinsbrüdern des Ex-Stasiobristen gehört nach seinen Angaben Heribert Hellenbroich – Ex-Chef des Bundesnachrichtendienstes. Das hätte Fuchs nicht erfinden können.
    Auf dem Dichtergrab welken die letzten Rosen. Das Rätsel bleibt: »Und/ Wer hört mich,/ wenn ich schweige.«

Die Unschuld vom Land
    Besuch bei einer Hassfigur
     
     
    Zehn Jahre nach dem Mauerfall hat der frühere DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski seine Memoiren angekündigt. Am Tegernsee genießt er die bayerische Toleranz. Er ist vom Plan- zum Marktwirtschaftler geworden.
     
    Nichts verblüfft am schwergewichtigen Alexander Schalck-Golodkowski mehr als die sanfte Stimme. Im bayerischen Rottach-Egern begrüßt er den Fremden mit dem einnehmenden Tonfall eines alten Bekannten. Schon auf der Türschwelle spricht, in der Fülle des Wohllauts, der gewiefte DDR-Außenhändler aus ihm, heute eloquenter Vertreter der eigenen Sache.
    Im scharfen Licht des Föhntags beginnt das Gespräch ohne jede Förmlichkeit. Es wird sechseinhalb Stunden dauern, das Frühstück bleibt unangetastet, wir werden mehrere Kannen Kaffee trinken. Die erste Feststellung, »Sie sind tatsächlich so groß wie Helmut Kohl«, kontert er schlagfertig: »Ja, wir konnten uns in die Augen sehen!« Im Kanzleramtsbüro von Wolfgang Schäuble sei man sich begegnet. Er meint: Kohl trat nur ins Zimmer, weil er wissen wollte, was Honeckers Sendbote für einer sei. Dieses Rätsel ist zehn Jahre nach dem Mauerfall immer noch ungelöst, wenn man die Bandbreite der Urteile über den vielbeschriebenen, trotzdem schemenhaft gebliebenen »DDR-Devisenbeschaffer« betrachtet. Seine filmreife Vita verbindet Politik, Geschäft, Aufstieg und Fall zum Stoff, aus dem Thriller sind. Die grellsten schreibt bekanntlich das Leben.
    Stark berlinernd bittet der 67-Jährige in die holzgetäfelte Stube.Links stapeln sich einige der 2500 Ordner, die bei sechs Anklagen, 50 Ermittlungsverfahren und diversen Untersuchungsausschüssen anfielen. Ein unglückliches Lächeln huscht über sein Gesicht, derweil Ehefrau Sigrid die Statistik zitiert. In der Vitrine hinter ihm steht eine Kollektion Gläser. Bis vor wenigen Wochen sei die Sammlung konfisziert gewesen. Außer DDR-Orden und Ehrenzeichen – »manche hatte ich zweemal« – ließen die Ermittler dem »Großen Alex«

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