Die Stasi Lebt
Akten. Die Außenstellen der Behörde sind da gar nicht mitgerechnet. Es müsste mit dem Teufel zugehen, fände sich in dem Papierberg nichts über den flächendeckend ausgeschnüffelten Kanzler. Schon die jüngst vom »Tagesspiegel« publizierten Stasi-Abhör-Protokolle zu CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep und dem Generalbevollmächtigten Uwe Lüthje boten Erhellendes zu den Geldgeschäften der Partei. Und was steht bei Kohl, so sich die meistgesuchten Stasi-Mitschnitte finden? Ein früherer Mielke-Mann gibt den Tipp, Wesentliches »auf dieser Strecke« sei an die Russen gegangen. »Da muss was sein.« Die Kanzler-Dossiers hätten zudem »drei- bis vierfach« vorgelegen. In den Wende-Wirren, so der Insider, habe mancher Genosse Brisantes eingepackt und weggetragen. 1990 druckten Magazine erste Geschichten aus diesem Konvolut.
Mag der hypernervöse Kohl bereits vorbeugend die Authentizität solcher Mitschnitte in Zweifel ziehen. Damit sind die Geheimnisse der Dunkelmänner nicht zu bannen. Präzise regelte die »Rahmenordnung der Linie III« die »Gewinnung, Aufbereitung und Weiterleitung« des Gehörten. Wort für Wort tippten Horchposten ihre Aufzeichnungen ab. Im zweiten Durchlauf verglichen Kollegen das Gesprochene und das Geschriebene, überprüften Ton und Text. Aufbereiter und Kontrolleure finden sich mit ihrer Signatur auf dem jeweiligen Manuskript. Die Stützpunkte standen im Übrigen untereinander im Wettbewerb.Wer Infos von »Wertigkeit« herausfischte, bekam die erste Zuteilung neuer Technik. Auch ein Grund für Sorgfalt, zumal wenn man den dicken Mann vom Rhein im Ohr hatte. Probleme bei der Dokumentation ergaben sich eher durch katastrophale Rechtschreibung und die Tatsache, dass Bonn offensichtlich für die Schreibkräfte ein böhmisches Dorf war: In Telexen aus dem Stasi-Bestand »Kiep« ist häufig von einem »Herrn Kohl, vermutlich der CDU-Politiker« die Rede.
Auffallend, wie viele Abhörer 1990 die Nerven verloren und sich dem Hauptgegner andienten. In Köln beim Verfassungsschutz (BfV) sangen verdiente Stasi-Hardliner, als ginge es um ihr Leben. Dort klopfte mit Hauptmann L. just der vordem gerühmte Kanzler-Spezialist an. Dieser »kleine L.« findet sich auf einer »Geheim« gestempelten Überläuferliste des Amtes vom 26. Februar 1991, Deckname »Häuserkampf«. Irgendwie passend, dass L. heute mit Immobilien handeln soll. Beim BfV jedenfalls lachte Bargeld, andere von der HA III packten beim Bayerischen Landesamt oder bei den Amerikanern aus. Ihnen schleppte einer die 25 000 Zielkontrollaufträge zum Abfilmen in die Ostberliner Vertretung.
Ob in der Stasi-Szene noch Kohl-Abhörprotokolle existieren, fragen wir einen versierten Lauscher. Die schnelle Antwort: »Aber ganz sicher.« Vielleicht wird die heiße Lausch-Ware demnächst angeboten. Branchenüblich am Telefon.
Mann im Ohr
Der Spitzen-Lauscher der Stasi
Er war nie in Bonn. Aber als Spitzen-Lauscher der Stasi kannte er jeden, der dort etwas zu sagen hatte. Besonders Helmut Kohl. Morgen wird seine Zielperson vom Spendenausschuss vernommen. Zu Besuch bei einem, der dem Kanzler aufs Wort hörte. Ein Treffbericht.
Eine blendende Erscheinung: Zum Nadelstreifen-Anzug trägt Peter Lux ein hellblaues Hemd, die Manschettenknöpfe sind farblich abgestimmt, der Schlips ist von dezentem Rosa. Das steil zurückgekämmte Haar verleiht Dynamik. Insgesamt wirkt der 45-Jährige etwas overdressed, als gelte es, Eindruck zu schinden.
Mit seinem eigenen Bild von früher hat der Adrette nicht mehr die geringste Ähnlichkeit. Ein Ausweisfoto der DDR-Staatssicherheit zeigt den ehemaligen Stasi-Hauptmann in spießiger Kombination: extrabreites Revers, heller Binder, dicker Knoten, dunkles Hemd, akkurat gezogener Scheitel links. So verewigten ihn die Knipser vom Bereich »Kader und Schulung«. Der Stasi imponierte Lux’ Anmutung sehr. In der Akte steht: »Auch in seinem Äußeren (Bekleidung, Frisur usw.) entspricht sein Auftreten einem Tschekisten.« Tschekisten sind Geheimdienstler, Variante Ost.
Wahrscheinlich hätten die alten Kameraden von der »Hauptabteilung III« jetzt Mühe, den Geschniegelten als einen der Ihren zu erkennen. Lux diente in der »Auswertung«, der Schlüsselstelle für das Analysieren und Aufbereiten abgehörter Telefonatevon Bonner Ministern. Unter den 500 im »Zentralobjekt Wuhlheide« stationierten Lauschern galt er als absoluter Kenner der Materie Kohl & Kanzleramt. Ein Vorgesetzter erläutert: »Jeden Tag
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