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Die Stasi Lebt

Titel: Die Stasi Lebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Schreiber
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des Generalbundesanwaltes war S. von der Hauptverwaltung Aufk lärung (HVA) »auserwählt«, als »Instrukteur die Verbindung zu Wallraff zu halten«. Der wurde später Bestseller-Autor, parallel führte die Spionagetruppe ihn als »IM Wagner« in den Akten. IM wie Inoffizieller Mitarbeiter.
    Den Treff mit dem 27-jährigen Wallraff hatte Oberleutnant Heinz Dornberger von der Abteilung X eingefädelt, laut Plan für »Schaffung und Steuerung von Einflussagenten« zuständig. Er hatte den Offizierskollegen Günter Bohnsack um Rat gefragt: »Hast du nicht ’nen flotten Kerl für das Informations- und Organisationsbüro« (IOB), eine Stasi-Gründung, flächendeckend mit eigenen Leuten bestückt. Am IOB kam kein Westler vorbei, der im Osten recherchieren wollte.
    Der studierte Journalist Bohnsack hatte S. einst zur »Neuen Oranienburger Zeitung« geholt und um 1965 für seine Firma, die HVA, geworben: »Du kannst bei uns mitmachen!« Unvergesslichfür den Oberstleutnant: S. war sein erster IM, die Verpflichtungserklärung unterschrieb er »in irgendeiner Kneipe«. Er lehrte ihn, tote Briefk ästen anzulegen, Beschatter zu erkennen, stellte ihm die Frage aller Agentenfragen: »Wie willst du dich denn nennen?« S. habe »Richter« gewählt, kam damit in die Papiere. Man schickte ihn gleich nach München, einen von der »Desinformation« entworfenen Artikel gegen Rainer Barzel in der Tasche, »Kronprinz im Zwielicht«. Eine nie enttarnte Quelle »Gemse« verbreitete dort den Text auftragsgemäß.
    Die Tour von S. zu Wallraff nach Köln geriet zum Horrortrip. Er sei zweimal dort gewesen. Dem »Tagesspiegel« erklärt S., mit seinem bürgerlichen Namen (nicht wie behauptet mit dem Alias »Grabowski«) bei der Zielperson vorstellig geworden zu sein, in der Wohnung von Wallraffs Mutter. Durch ihn lernte er Heinrich Böll und Max von der Grün kennen, schwärmte davon in Ostberlin. Doch verstieß er bei der Geheimmission dusselig gegen jede Stasi-Norm. Er telegraphierte seinem aus der DDR nach Düsseldorf geflüchteten Vater, traf ihn und durfte wegen dieses »operativen Vergehens« bis 1987 »nie mehr ins nichtsozialistische Wirtschaft sgebiet«. Bis heute weiß er nicht, wer die verbotene Begegnung mit dem Papa verriet; viele Möglichkeiten gibt es da nicht. S. will mit dem Fall Wallraff nichts mehr zu tun haben, »dazu sag ich gar nix«. Er wechselte das Fach, schrieb ein Lexikon der Hunderassen, »Sie glauben nicht, was das für ein Markt ist«.
    Die HVA-Truppe, an deren Schnüren Günter Wallraff – wie er kategorisch beteuert – ohne sein Wissen zappelte, war die Truppe von Oberst Rolf Wagenbreth. Sein roter Diplomatenpass lief auf »Rolf Wagner«, in seltsamer Koinzidenz war »Wagner« auch der IM-Name, mit dem seine Abteilung Wallraff intern tarnte. Der Oberst war kein großer Westreisender, ließ sich aber gernWare aus dem Feindesland mitbringen, wird kolportiert. Er zählte zu Markus Wolfs Lieblingen, mit dem er, so die Bundesanwaltschaft in einer Anklageschrift, den Vorgang Wallraff »regelmäßig« besprach. Beflissen eilte Genosse Rolf aus dem vierten Stock hoch zum Hausgott in den neunten. »Zielstellung« der HVA sei gewesen, so die Ermittler, »Wallraff als Quelle nachrichtendienstlich relevanter Informationen aus dem Bereich der linken Szene … sowie unter anderem über persönliche Verhältnisse westdeutscher Politiker« zu gewinnen. Dabei fiel der Name von Verteidigungsminister Helmut Schmidt.
    Seine Leute verliehen Wagenbreth den Titel »der Einser«, seit er Dokumente von »höchster Wertigkeit« für die militärische Aufklärung beschafft hatte. Der Dunkelmann verdiente 46 500 Mark im Jahr, hatte Zugriff auf zwei Chauffeure, einen Fiat Mirafiori. 1945 in die KPD eingetreten, hält sich der Pensionär bis heute was darauf zugute, niemals mit Medien über die HVA geplaudert zu haben. Einmal jährlich schart er die alten Kameraden bei Bad Saarow zur Geisterbeschwörung um sich. Am Telefon – eine persönliche Begegnung lehnt er ab – jammert er über die »Strafrente« für seinesgleichen, sein sagenhaft es Stasi-Gehalt bleibt unerwähnt. Der Sound eines Hardliners, der den »Roten Stern des Obersten Sowjets« erhielt, »Ehrenmitarbeiter der UdSSR-Staatssicherheit« war und heiß den Generalsrang begehrte. Der HVA verdankt er alles, Aufstieg vom landwirtschaftlichen Rechnungsführer zum »Diplom-Gesellschaft swissenschaft ler«. Sein Passfoto aus der Personalkartei zeigt einen harten Zug um den Mund.

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