Die Stasi Lebt
ging, das durch Infotafeln gekennzeichnet werden sollte. Es war schon taktlos, die Debatte am früheren Sitz ihrer »Verwaltung Rückwärtige Dienste« ab zuhalten, so dass Generaloberst Werner Grossmann, Mielke-Vize Wolfgang Schwanitz und wie sie sonst noch hießen, in der vertrauten Kantine ein Heimspiel hatten. In dieser Gegend, auf DDR-Stadtplänen ausgespart, bewegen sie sich wie Fische im Wasser. In ebendiesen städtischen Räumen wurde bereits die Schmähschrift »Das Gruselkabinett des Dr. Hubertus Knabe(lari)« vorgestellt. Zu den Rednern gehörte der zonenbekannte Redakteur Klaus Huhn, bei der Stasi noch besser bekannt als Geheimer Informator, GI »Heinz Mohr«.
Wie zur Kadersitzung aufgereiht, hockten sie da, Mielkes dressierte Männer. Gestern konnte man sie in ähnlicher Besetzung bei einer Pressekonferenz in der Ruschestraße 45 beobachten. Heute Hotel Ramada, damals MfS-Ledigenwohnheim. Die Einladung des Eulenspiegel-Verlags stand unter der Überschrift »Stasi-Hysterie in Hohenschönhausen«. Eulenspiegel trug eine Narrenkappe. Der BND hätte gewiss ein Vermögen für dieses Gruppenbild mit Stasi-Prominenz bezahlt, geeignete Probanden für allfällige Studien über den autoritären Charakter.
Ein zittriges Video vom Treffen in Lichtenberg hält Opas mit Bäuchen fest, sie stecken in spießigen Pullovern (als wären sie direkt von der Datsche zum Fronteinsatz beordert). Das »Hamburger Abendblatt« sprach von »Stasipack«, das frech werde, »statt wenigstens das Maul zu halten«. Friedrich Küppersbusch charakterisierte ihr Verhalten als »Kameradschaft skotzen«. Jedenfalls redeten sie sich in Hochstimmung gegen den Klassenfeind. Man ahnt, was es bedeutete, ins Visier der meistgehassten DDR-»Firma« geraten zu sein.
Aber noch peinlicher war, auf dem Podium Kulturdezernent Thomas Flierl zu sehen, der den Geschichtsklitterern nicht entgegentrat. Sein beredtes Schweigen war ein Skandal für sich, als wollte er all jene bestätigen, die in seiner Person den Bock zum Gärtner gemacht erkennen. Weder trat er Dieter Skiba ent gegen, früher Hauptabteilung IX/11, der die Gedenkstätte »Gruselkabinett« nannte. Noch stoppte er Siegfried Rataizick, vom Wachtmeister zum Chef der Stasi-Untersuchungshaft anstalt UHA 1 aufgestiegen. Dessen Gattin brachte es zum Major, laut Akte »für die Urlauberbetreuung der leitenden Genossen des MfS« in den »Chefh eimen« eingesetzt. Den Blick gewohnt herrschsüchtig, gift ete der Oberst gegen jene, »die sich als Opfer darstellen und uns als Täter deklarieren«. Wand an Wand mit den Zellen gönnte sich die Stasi an der wahren Schreckensadresse einen kommoden Sauna-Bereich.
Berliner Zustände. Mit dem PDSler Flierl ist ausgerechnet ein Ex-SEDler für die Gedenkstätte Hohenschönhausen zuständig. Das »Mahnmal gegen politische Unterdrückung« soll laut Parlamentsbeschluss über das »ausgefeilte System von Desorientierung, Isolation und Ohnmacht, das die Staatssicherheit gegenüber ihren Häftlingen anwandte«, informieren. Als diese Sätze nach der Wende formuliert wurden, schien es abwegig, dass eseinen rot-roten Senat geben könnte. Ebenso undenkbar schien ein PDS-Kultursenator, der qua Amt zur Fachaufsicht einer Institution bestimmt würde, die über die Schandtaten der SEDDiktatur aufk lärt. Die Stasi war »Schild und Schwert« der Partei. Im Bezirksamt hat Flierl die Chance, der Gedenkstätte und ihrem Leiter für die Arbeit zu danken. Er hätte sich vor Hubertus Knabe stellen können, den Lieblingsfeind der Tschekisten. Er hätte sich angeekelt zeigen können von den Meistern der Selbsttäuschung, den eigentlichen Totengräbern der DDR, die sie samt ihren Privilegien so sehr missen. Aber Flierl lässt die Chance verstreichen. Vorher schon lehnte er Knabe die Bitte ab, zu einem Artikel über die Gedenkstätte eine Gegendarstellung im »Neuen Deutschland« zu erwirken.
Nun nimmt der Senator in der ersten Parlamentsreihe Platz, hört Walter Momper gegen die »Schergen des Regimes« wettern. Der Politiker erwähnt den »Kerkermeister von Hohenschönhausen«. Man werde es nicht zulassen, dass »die Täter von gestern ihre an Gewalt und Unterdrückung reiche Geschichte verfälschen und Lügen verbreiten«. Beifall für den Redner.
Thomas Flierl hatte den Saal wie sein eigener Leidverweser betreten, in üblich schwarzer Kluft, als machte der studierte Philosoph auf Existenzialist, wo er doch bloß ein Postkommunist ist. In seiner Leichenbittermiene war der Mund
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