Die Statisten - Roman
in ein schwereloses, ätherisches Reich eingegangen zu sein. Als die Schallplatte ihr Ende erreichte, war keinem von beiden nach Reden zumute.
Frank Sinatra schmalzte sich in âStrangers in the Nightâ hinein. Eddie hatte nichts gegen den Song, aber manchmal kann es auch zu viel des Guten werden. Die Bombshells mussten das Stück bei jeder Hochzeit wenigstens zwei- bis dreimal spielen. Aber er beklagte sich nicht. Es kam nicht häufig vor, dass er mit einer so guten Partnerin tanzen konnte. Serena Fernandes lächelte entrückt, während er sie in den Armen hielt. Dünne Strähnen ihres Haars umschmeichelten seine Wange. Sie waren weich, aber voll und hatten einen sanften Duft, ein Mittelding zwischen Honig und Thymian.
Er fragte sich, warum sie ihm bislang matronenhaft erschienen war. Sie war hochgewachsen und anmutig, und ihre Hände waren leicht und geschmeidig. Ihr Atem kitzelte ihn am Nacken, und er bewegte leicht den Kopf. Sie schaute auf und strich ihm über das Haar.
âSieben lange Jahre bin ich allein gewesen. Und jetzt gehst auch du.â
âEs ist noch einen Monat hin. Wir können jeden Abend tanzen, sobald die Gäste weg sind.â
âDu wirst uns besuchen, nicht?â
âIch weià nicht. Muss sehen, ob ich Zeit hab.â
âHeile mich von meiner Einsamkeit, Eddie.â Ihre Lippen strichen sanft über seine. Eddie versteifte sich und versuchte, auf Distanz zu gehen. Sie tanzten weiter, aber der Zauber war verflogen.
âEddie â¦â
âIch muss jetzt nach Hause.â
âWarte, Eddie!â
âIch bin morgen schon früh da, Auntie.â
Mrs Fernandes zuckte beim Wort âAuntieâ zusammen. Eddie hatte es bis dahin noch nie in ihrer Anwesenheit benutzt. Langsam löste sie sich von ihm.
Eddie schreckte aus dem Schlaf. Er schaute auf die Uhr. Es war 10.15 Uhr. Er war spät dran. Der Polizei war es egal, ob Neujahr war. Es war der Erste des Monats, und einer der Inspektoren würde um Punkt elf bei Auntie auf der Matte stehen, um die Umsatzbeteiligung zu kassieren. Mrs Fernandes legte gröÃten Wert darauf, dass das Lokal dann blitzsauber war. Eddie klopfte an die Tür des behelfsmäÃigen Badezimmers.
âWas ist?â, fragte Pieta.
âBrauchst du noch lang?â
âIch wasch mir die Haare. Ich brauche mindestens noch zwanzig Minuten.â
âLass sie in Ruhe, Eddie! Was hast duâs so eilig?â
âIch muss zur Arbeit, Mama. Ich bin schon spät dran.â
âAm Neujahrsmorgen? Was soll denn das für eine Arbeit sein? Du gehst bestimmt zu dieser Belle!â
âJa, Mama. Genau das habe ich vor, um elf Uhr morgens mit ihr tanzen zu gehen!â, sagte er und schlüpfte in seine Jeans.
âWerd bloà nicht frech, ja? Putz dir die Zähne, und ich mach dir eine Tasse Tee und Eier und Toast.â
âTut mir leid, bin schon weg!â
Vor Mrs Fernandesâ Wohnung hatte sich ein Menschenauflauf gebildet. âWas ist los?â, fragte Eddie, während er versuchte, sich hineinzudrängen. Es konnte nur um Lester gehen. Eddie sprach rasch ein Ave Maria und hoffte, dass Lester Fernandes keinen zweiten Schlaganfall bekommen hatte.
âWo zum Teufel warst du?â Inspector Gupte machte fast einen Satz, als er ihn hereinkommen sah. Eddie wusste nicht so recht, was er von diesem enthusiastischen Empfang halten sollte. Gupte war ein wortkarger, verdrieÃlicher Bursche, der zu glauben schien, Schmiergelder anzunehmen sei keine Straftat, solange man den freundlichen Spender nicht zur Kenntnis nahm. Es war für ihn Ehrensache, Aunties â und natürlich Eddies â Namen nicht zu wissen. Die beiden waren Abschaum, mit dem er nichts zu tun hatte. Doch heute war es anders.
âEllie, Ellie, Ellie â¦â Eddie war erleichtert festzustellen, dass Lester Fernandes nichts passiert war.
âIch kapier ums Verrecken nicht, was der alte Wichser sagtâ, beschwerte sich Inspector Gupte.
âEr ruft nach mir, das ist alles.â
âEr versucht, mir irgendwas zu sagen, seit ich vor zehn Minuten hier angekommen bin.â
âWarum fragen Sie nicht einfach Mrs Fernandes? Sie versteht fast alles, was ihr Mann sagt.â
âFrag du sie. Sie wird nicht mit mir reden.â
âWieso nicht?â
âWeil sie gegangen ist.â
âKann gar nicht sein. Ich war bis heute früh hier bei ihr.â
âSie ist
Weitere Kostenlose Bücher