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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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Ravan, das Lachen des Meisters habe lediglich die Oktave gewechselt, doch Navare hatte angefangen zu würgen, seine Augen wurden rot, quollen hervor und kippten bald nach hinten weg, sodass man nur noch das Weiße sah. Es muss ein Gott der Vergeltung im Himmel wohnen, dachte Ravan, von dem der Bandleader postwendend heimgesucht wurde!
    Dieser verdammte Hohn und die Häme in Navares Stimme, insbesondere in diesem zweiten „Du?!“!
    Ravan hatte nicht wenig Lust, der göttlichen Intervention ihren ungehinderten Lauf zu lassen, doch ihm wurde klar, dass dies jede auch noch so geringe Aussicht darauf, wieder in die Band aufgenommen zu werden, zunichte gemacht hätte. Abgesehen davon, hatte Rache vielerlei Gesichter und Erscheinungsformen. Ravan stellte sich hinter Sadanand Navare, nahm einen festen Stand ein, drehte seinen Oberkörper weit zurück, hob sein rechtes Bein und verabreichte dem Meister einen Taekwondo-Kick von derartiger Heftigkeit und Rasanz, dass der Mann von den Füßen gerissen wurde, einige nicht enden wollende Sekunden lang durch die Luft flog und dann, noch während er als Häuflein auf den Boden krachte, einen großen Schwall aus Erbrochenem und Schleim von sich gab.
    Ravan wartete darauf, dass Navare wieder zu sich kam, aber der Niedergestreckte legte eine erschreckende Reglosigkeit an den Tag. Hatte er die Wucht des Tritts unterschätzt? Die Glieder des Meisters lagen schlapp und ungeordnet da, und sein Mund war weit geöffnet, bereit für den letzten läuternden Trunk von heiligem Gangeswasser. Er war offensichtlich tot.
    Als wäre nicht alles schon schlimm genug, hatte Ravan jetzt auch noch einen Mord am Hals. Und nicht mal den ersten, wenn man diesem Eddie Coutinho vom obersten Stock Glauben schenken wollte. Und was sollte er nun mit dem Xylophon machen? Wo sollte er es unterstellen? Mit nach Hause nehmen konnte er es unmöglich. Die anderen Bandmitglieder konnten jeden Augenblick hier sein, und dann würde die Polizei kommen und ihn ins Gefängnis bringen und aufhängen. Ravans Denkvermögen war zu einem Affen geworden und sprang unentwegt von einem Unheil zum nächsten. Wie sollte er seiner Mutter gegenübertreten und was würde er ihr sagen? In seinen Augen war sie von jeher Ma Sherawali gewesen, die Göttin, die auf einem Tiger reitet und ein Schwert schwingt. Sie saß im Damensitz und ritt geradewegs auf ihn zu. Das Schwert sauste hernieder, und jetzt spielten die Kinder aus den CWD -Chawls mit seinem abgehackten Kopf Fangen.
    Navares Körper zuckte zusammen, als hätte er einen Elektroschock bekommen. Seine Lungen saugten mit einem einzigen langen Atemzug sämtliche Luft des Universums in sich hinein und er schlug die Augen auf. „Es sei denn natürlich, es sei denn …“ Navare knüpfte dort wieder an, wo er abgebrochen hatte. In seliger Unwissenheit darüber, dass er beinah gestorben wäre und Ravan einen Heidenbammel eingejagt hatte.
    â€žEs sei denn was?“ Ravan hatte nicht die geringste Ahnung, worauf dieses Katz-und-Maus-Spiel hinauslaufen sollte, doch er war zutiefst erleichtert, kein weiteres Blut an seinen Händen zu haben.
    â€žNa ja, es sei denn, du bist bereit, zwanzig Rupien im Monat zu zahlen, um von mir klassische Musik zu lernen. Nur wenn du die Theorie beherrschst und ein anständiges musikalisches Fundament hast, kannst du es schaffen.“
    Zwanzig Rupien im Monat? Warum nicht gleich zweihundert? Oder drei? Der Bandleader wartete auf Ravans Widerspruch und Gegenangebot, aber der Junge schüttelte lediglich den Kopf und wandte sich zur Tür.
    â€žOkay, okay. Da du so jung und lernbegierig bist, möchte ich dir nicht allen Mut rauben. Fünfzehn Rupien. Keinen paisa weniger.“
    â€žDanke, Meister Navare, aber ich wüsste nicht, wo ich so viel Geld herkriegen sollte.“
    â€žPech. Das war mein letztes Angebot. Man kann einen Maulesel zu einem Nektarsee führen, aber man kann ihn nicht zwingen zu trinken.“
    Ravan hörte schon nicht mehr zu. Für ihn war hier Endstation. Allein die Vorstellung, seiner Mutter gestehen zu müssen, dass er mit dem Geld für die Nachhilfestunden das Xylophon gekauft hatte! Es war sein kostbarster Besitz. Kostbar nicht im Sinne von teuer, sondern von lieb und wert. Ehrfurcht kam dem Gefühl vielleicht noch am nächsten. „Ach, und ich will dein fürchterliches Klimperbrett nicht bei mir im Haus rumliegen

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