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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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verloren. Also hatte sich Ravan für das patti tarang -Xylophon entschieden.
    Er hatte es mit dem Geld für die Nachhilfestunden auf Raten gekauft und zusammen mit den Mitgliedern der Band geprobt. Er hatte ein Gehör für Musik, und rasch brachte er es auf dem Instrument zu einer gewissen Kunstfertigkeit. Wenn jetzt einer der regulären Musiker im letzten Moment krank wurde oder einen familiären Trauerfall hatte – Kanhaiyyalal, dem Klarinettisten, war allein in den letzten neun Monaten die Schwiegermutter drei Mal gestorben, und sein Sohn hatte im selben Zeitraum zwei Mal ins Krankenhaus gemusst –, wurde Ravan aufgefordert, für ihn einzuspringen, selbstredend ohne dass ein Wort über schnöden Mammon gefallen wäre. Es gab keinen Vertrag und auch keinerlei mündliche Vereinbarung, aber mit der Zeit war Ravan zum fünften und jüngsten Mitglied geworden.
    Zehn Monate waren vergangen, vielleicht auch ein Jahr, jedenfalls genügend Zeit, damit Ravan glauben durfte, seine Probezeit sei vorbei, da beging er einen fatalen Fehler. Wie üblich verspäteten sich die anderen Musiker zur Probe, und Ravan hielt es für den idealen Augenblick, um mit dem Bandleader, Mr Navare, zu sprechen.
    Mr Navare glaubte an die Existenz von lediglich zwei Göttern. Der eine war Hanuman , der göttliche Affe, der fliegen konnte. Und der andere war sein Saxophon. Navare hatte Backen, die aus hochwertigstem malaysischen Kautschuk bestanden. Er konnte sie zu gigantischen Luftballons aufpumpen, und man wusste nie, wann sie platzen würden. Er sah haargenau wie sein Lieblingsgott aus, und oft schien er tatsächlich abheben zu wollen.
    Wenn man Navare jedoch bei einer wirklich großmeisterlichen Darbietung erleben wollte, musste man ihm dabei zuschauen, wie er sich eine kleine mickrige Bidi ansteckte. Er zog an dem schmächtigen Stummel, bis der sein Inneres nach außen kehrte, und er nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Das Ding war so dünn wie ein Streichholz: siebeneinhalb Tabakkrümel, in ein trockenes Stück Tabakblatt gewickelt und mit einem dünnen roten Fädchen zusammengebunden. Navare klemmte sich die Bidi zwischen Zeige- und Mittelfinger, ballte die Faust und zog daran. Das Ende erglühte wie eine zornige Nadelspitze. Dann brauchte er nur ein Mal, ein einziges Mal, auszuatmen, um jedem, der sich im Umkreis von hundertzwanzig Meilen befand, Löcher in das Lungenfell zu sengen und die Hirnzellen zu zerschmoren. Es war der reine Fallout. Ihm einmal ausgesetzt, war man fürs Leben geschädigt. Auf Navare hatte der Qualm eine elektrisierende Wirkung. Er verwandelte sich in die reinste Form von Energie. Er nahm einen anderen Aggregatzustand an.
    Der Mann fing an zu husten. Es war nichts Geringeres als ein bellender, gellender, keuchender, manischer, respiratorischer Vulkanausbruch. Es kam zu einem mehrfachen Beben; Explosion folgte auf Explosion. In der Erdkruste taten sich meilenbreite Risse auf, Ozeane stiegen zum Himmel empor und Berge zerkrümelten zu feiner grauer Asche. Die Sonne ging in Scherben, und alle, Männer wie Frauen, wussten, dass der Tag des Gerichts angebrochen war. Doch Shivas Tanz fand und fand kein Ende.
    Der Klarinettist Kanhaiyyalal pflegte bei solchen Gelegenheiten auszurasten. „Navare, du Arschloch, verschon uns jetzt endlich und mach diese Scheiß-Bidi aus!“
    Navare brauchte eine Ewigkeit, um zwischen zwei Atemzügen eine Antwort herauszuwürgen, fand aber zu guter Letzt doch eine Lücke. „Hat sie vielleicht dein Blödmann von Vater bezahlt?“
    â€žUnd was, wenn du abkratzt?“
    Ein weiteres langes, herkulisches Atemringen. „Den Teufel werd ich! Ich steck deinen Scheiterhaufen an, lang bevor ich den Löffel abgebe!“

    â€žIch bin inzwischen seit Längerem ein vollwertiges Mitglied der Band“, erläuterte Ravan Navare. „Anders als die anderen, habe ich noch nie eine Probe oder eine Hochzeit ausfallen lassen. Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie anfingen, mich zu bezahlen.“
    Es klang wie eine absolut vernünftige Forderung, aber Ravan musste erst noch lernen, dass Mr Navares Wege, wie diejenigen Gottes, geheimnisvoll und unergründlich waren. Der Bandleader verzog säuerlich den Mund, und sein Glaube an die Menschheit schien zu zerbröckeln, so verständnislos, wie er Ravan anstarrte.
    â€žDu möchtest bezahlt werden?“ Es lag mehr als

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