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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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wenn er hätte miterleben müssen, zu welch heilloser Katastrophe die Prohibition trotz ihrer edlen Ziele führte. Die Prohibition hatte gerade die Grundsätze, auf die sich seine Philosophie und Lebensführung stützten und die das Land durch einen einzigartigen Freiheitskampf gelotst hatten, untergraben und sabotiert. Wahrheit, Ehrlichkeit und Integrität waren die ersten Opfer der Prohibition. Stattdessen hat sich die Fäulnis von den höchsten Regierungskreisen bis hinunter zum Fußvolk ausgebreitet.
    Hätte Gandhi anders entschieden, jetzt, wo es zweifelsfrei erwiesen ist, dass die Prohibition kein geeignetes Mittel ist, den Alkoholkonsum zu unterbinden oder auch nur zu kontrollieren? Sie hat im Gegenteil zu einem Anstieg des Konsums geführt und noch dazu das Leben der armen Bevölkerungsschichten gefährdet, weil der billige Fusel immer wieder mit Terpentin oder anderen tödlichen Substanzen versetzt wird. Anders als seine Anhänger war Gandhi ein Pragmatiker und flexibel genug, seine Strategien der politischen Wirklichkeit anpassen zu können, ohne seine grundsätzlichen Überzeugungen zu verraten. Aber er war zugleich auch ein hartgesottener Idealist und konnte durchaus störrisch und stur sein. Es ist schwierig, die Gedanken der Verstorbenen zu erahnen, und daher ist und bleibt jede diesbezügliche Mutmaßung zwangsläufig pure akademische Spekulation.

11
    Ravan irrte sich, als er glaubte, er würde Pieta nie wiedersehen. Elf Tage nach ihrer letzten Begegnung traf er sie abends im Treppenhaus seines Chawls. Er war in Gedanken und hätte nicht einmal sagen können, ob sie auf dem Weg nach unten oder nach oben war.
    â€žGlauben Sie, Sie könnten mich morgen nach der Arbeit vom Büro abholen?“
    Es war eine so unerwartete Frage, dass er kein Wort herausbekam.
    â€žKeine Sorge, ich zahle für die Fahrt.“ Sie hörten jemanden aus dem katholischen Stockwerk herunterkommen. „Ich bin um Punkt sechs da.“ Sie wandte sich ab und stieg die Treppe hinauf, ohne sich noch mal umzusehen.
    Fragt sich, wie Ravan die Nacht verbrachte. Oder den nächsten Tag, bis es sechs wurde. Wie lautete noch mal dieses schöne Hindi-Sprichwort? „Denewala jab bhi deta hai, chappar paad ke deta hai – Wenn der Boss da oben zu geben beschließt, reißt er das Dach auf, und die Gaben strömen nur so herunter.“ Erst dieser Lederbeutel, eine wahre Gottesgabe, wenn es so etwas überhaupt gab, und er hatte wie ein Idiot herumgejammert, dass der Gast nicht bezahlt hatte! Nein, die Freifahrt war ihm gegönnt!
    Dieses Loch im Dach namens Himmel öffnete sich anscheinend noch weiter. Ravan hatte sich in Krishna Kumars Schauspielschule eingeschrieben und besuchte dieselbe Klasse wie Eddie. Er machte sich gut dort, trotzdem hatte er sich auch um einen Studienplatz am Film Institute in Puna beworben, wo Drei- und Vierjahreskurse angeboten wurden, während es bei K.K. nur das Ein-Jahres-Diplom gab. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sich die Leute von dort melden würden, zumindest war das seine Hoffnung. Und dann würde er sich auf den Weg machen. Er hatte schon den Stoff für seine neue Garderobe gekauft, und sobald die Anzüge fertig waren, würde er ein Portfolio mit Fotos zusammenstellen und zu Probeaufnahmen antreten. Und nun hatte sogar Prinzessin Pieta, die Unnahbare, die Unerreichbare, die Niemals-Niemals, die Unmögliche, den Wunsch geäußert, ihn zu sehen. Und auch nicht irgendwann in einer unbestimmten Zukunft; sie hatte sich auf morgen Abend mit ihm verabredet.
    Jetzt, kurz bevor sie sich trafen, wusste er noch nicht, wie er sich verhalten sollte. Es stellten sich lebensentscheidende Fragen, vor denen er noch nie gestanden hatte, die aber sofort beantwortet werden mussten. Was sollte er anziehen? Worüber sollte er mit ihr reden? Oh Gott, er war solch ein Ignorant, und sie so gebildet! Sie hatte einen Bachelor und verkehrte in erlauchten Kreisen! Ein falsches Wort, und es wäre alles im Eimer. Ihr Bruder und ihre Mutter waren Tabuthemen. Der tote Vater erst recht. Über das Wetter konnte man sich in Bombay auch nicht unterhalten; es änderte sich nie.
    Er konnte sie nach ihrer Arbeit fragen, aber er hatte keine Ahnung, was Sekretärinnen machten. Dann vielleicht seine Schauspielerkarriere? Die große Chance, die sich ihm bald bieten würde? Das Problem war, dass er abergläubisch war und

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