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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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nicht gern über ungelegte Eier sprach. Was blieb dann noch übrig? Politik? Sein Vater kaufte zwar jeden Tag eine Zeitung, aber die Artikel in der „Bittambatmi“ handelten ausschließlich von Morden, Vergewaltigungen, Verkehrsunfällen und schwarzer Magie. Er musste am nächsten Tag früh aufstehen und eine Liste von Themen erstellen, die sie interessieren konnten und über die er imstande sein würde, ein paar Worte zu sagen.
    Und wohin sollte er sie ausführen? In welches Café? Immerhin war das eine Materie, in der er sich auskannte. Mindestens zwei Mal am Tag, wenn nicht häufiger, hatte er einen Fahrgast, der am Bistro, Venice, Volga, Berry’s, Gaylord, Gordon oder Bombelli’s abgesetzt werden wollte. Er musste lediglich dafür sorgen, dass er nicht wie ein Taxifahrer, sondern wie ein Mann von Welt rüberkam – ganz besonders, weil er sich letztes Mal so idiotisch verhalten hatte. Er würde sich ganz lässig geben; er würde sie zum Hotel Taj Mahal fahren und sie dort einladen. Der Goldregen, der ihm im Taxi zuteil geworden war, würde für die zwei Anzüge, die er in Auftrag gegeben hatte, und den Abend mit Pieta hundertmal reichen – ach Blödsinn, tausendmal! Er war noch nie in einem Fünf-Sterne-Hotel gewesen und wusste nicht einmal, wo er in diesem gigantischen Gebäude hinsollte. Aber er würde morgen früh mit Pratik Shah reden und sich alle einschlägigen Infos von ihm geben lassen. Und waren sie erst im Restaurant, würde er sich nach Pieta richten. Sie wusste bestimmt, wie man sich in solch schicken Lokalen benahm. Wenn es etwas gab, worüber er sich sicher war, dann, dass er der geborene Schauspieler war. Er würde schnell lernen.
    Am nächsten Morgen stand er um sieben vor Mr D’Mellos Schneiderwerkstatt, aber sie war geschlossen. Um acht ging er nochmal runter, um neun und um zehn. Es war halb elf, als der Schneider endlich aufkreuzte. Ravan erwartete ihn schon. Er wollte seine zwei Dreiteiler abholen.
    â€žSie wollen sie ohne Anprobe? Das ist eine hübsche Neuerung. Ihr Nachbar Eddie Coutinho wollte nach jedem Stich eine Anprobe. Ich bin dankbar, dass Sie meiner Urteilskraft so blind vertrauen, aber so leid es mir tut, sie sind noch nicht fertig.“
    Was sollte er an dem Abend tragen? Ein Drittel des Arbeitstages war vorbei, und er hatte noch gar nicht angefangen. Er würde darüber nachdenken, während er in der Stadt herumfuhr.

    Sie wartete bereits auf ihn. Er schaute auf die Favre-Leuba-Uhr an der Flora Fountain. Nein, er hatte sich nicht verspätet, bis sechs waren es noch sieben Minuten. Sie sah angespannt und besorgt aus.
    â€žIch dachte schon, Sie würden nicht kommen.“
    â€žWie kommen Sie darauf? Sie haben mir doch gesagt, ich sollte um sechs hier sein.“
    â€žSie waren durch nichts dazu verpflichtet.“
    â€žIch würde Sie nie im Stich lassen!“ Er staunte über seine eigene Kühnheit, über die Heftigkeit seiner Beteuerung.
    Sie lächelte schief. „Fahren Sie mich zum Alankar.“
    â€žGehen wir ins Kino?“
    â€žWas? Wie bitte?“
    â€žIch dachte, wir könnten in die Sea Lounge, im Taj. Aber wenn Sie lieber ins Kino möchten, soll’s mir recht sein.“
    â€žSea Lounge? Kino?“ Es war etwas so Jammervolles in ihrer Stimme, dass er erschrak. „Versuchen Sie, witzig zu sein?“
    â€žNein, wie kommen Sie bloß darauf?“
    â€žFahren Sie einfach zum Alankar, und ich dirigiere Sie dann von dort aus weiter.“
    Der Abend entwickelte sich anders, als ihm vorgeschwebt hatte, aber das war schon okay. Ihm war es völlig recht, das zu tun, was Pieta wollte, solange er mit ihr zusammen sein konnte. Ihre Blicke trafen sich manchmal im Rückspiegel, aber er war sicher, dass sie ihn gar nicht wahrnahm. Sie schwieg während der ganzen Fahrt, bis sie das Kino erreichten, und sie ihn bat weiterzufahren, bis sie fast auf der Foras Road waren. Ab da schien sie nicht mehr so genau zu wissen, wie es weitergehen sollte, aber schließlich verlangte sie, dass er in eine der schmaleren Quergassen einbog. Er zögerte kurz. „Ich glaube nicht, dass Sie in dieses Viertel sollten. Das ist kein Ort für feine Damen wie Sie.“
    â€žIch weiß selbst, wo ich hingehe.“ Er konnte sie kaum hören. Er drehte sich um. Sie saß in eine Ecke gequetscht, als versuchte sie, im Sitzpolster zu verschwinden.

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