Die Statisten - Roman
Viertels eine StraÃe, weil sie seit einer Woche kein Wasser mehr bekommen hatten. In beiden Fällen war der erste Leidtragende der Fahrer, der bewusst oder zufällig die Blockade durchbrach. Aber nichts davon hatte Parvati-bai auf den Zustand vorbereitet, in dem Ravan vier Wochen zuvor nach Hause gekommen war. Er konnte den Mund nicht öffnen, er hatte drei gebrochene Rippen, sein Gesicht und sein ganzer Körper waren mit Schrammen und Platzwunden übersät, und er sah verquollener aus als eine zu lange gebackene, aufgeplatzte Aubergine â und genau so glänzend schwarz-violett.
âWas ist passiert?â, hatte sie ihn entsetzt gefragt, während ihr Mann darüber schimpfte, dass sie so spät nachts Licht machte und ihm nie gestattete, in seinem eigenen Haus auch nur ein Auge zuzumachen.
âIrgend so ein Fahrgastâ, sagte Ravan lakonisch. Und so sehr sie auch nachbohrte, mehr war aus ihm nicht herauszubekommen gewesen.
âIch will nicht, dass du diese Arbeit noch weitermachst!â, sagte sie zu ihm. Trotz der Beulen und Blessuren und der unerträglichen Schmerzen hatte er gelacht.
âDas ist einfach Teil des Jobs, Maa. Einem Fahrgast passt deine Nase nicht, und da poliert er dir die Fresse, das ist alles. Vergiss nicht, der Kunde hat immer recht. Was sollte ich sonst machen? Taxifahren ist alles, was ich kann.â
âWie wärâs, wenn du als Chauffeur für einen Bankmanager oder einen Unternehmer arbeiten würdest?â
âDa geht es von neun bis neun. Manchmal noch länger. Als Taxifahrer kann ich meine Zeit flexibel einteilen. Ich kann nachts fahren und ansonsten mein Glück als Schauspieler versuchen.â
âBringt es was ein?â
âWird schon noch. Morgen, übermorgen, nächsten Monat.â Er versuchte zu lächeln. âMach dir keine Sorgen, Maa. Morgen bin ich bestimmt wieder fit.â
Das war er natürlich nicht. Parvati-bai wusste zu schätzen, dass Ravan, anders als sein Vater, selbst dann noch arbeiten ging, wenn er krankenhausreif geprügelt worden war, aber irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Sie kannte ihren Sohn. Wie viele Mütter müssen schon mit ansehen, wie ihr einjähriges Kind vom vierten Stock eines Hauses springt, und dürfen dann erleben, dass ihm das Schicksal eine zweite Chance gewährt? Sie merkte es ihm sofort an, wenn etwas nicht stimmte.
âWas hast du auf dem Herzen, Sohn?â
âNichts.â
âDu schläfst kaum noch, seit du angefangen hast, doppelte Schichten zu fahren, und auÃerdem beim Film arbeitest, wann immer die dich rufen!â
âIch verdien mir was für neue Klamotten dazu. In der Filmbranche muss man stets nach der neuesten Mode gekleidet sein.â
âDu hast dir seit Monaten nicht mal ein Hemd oder eine Hose gekauft. Sag mir die Wahrheit. Ich bin deine Mutter, Ravan.â
âWas? Das wusste ich ja gar nicht!â Ravan gab sich entsetzt über die Eröffnung. âIch dachte, du seist bloà meine Schwester!â Wenn Ravan flapsig wurde, konnte Parvati sicher sein, dass er etwas zu verbergen hatte.
âEtwas beschäftigt dich, etwas, was dich unglücklich macht.â
Ravan begriff, dass er in der Falle saÃ. âEs ist nichts. Nur, dass ich mit meiner Schauspielerei keinen Schritt weiterkomme, das ist alles. Vielleicht gehe ich für ein paar Jahre weg, verdien etwas Geld und komm dann zurück. Dann kann ich mich ausschlieÃlich auf die Schauspielerei konzentrieren.â
Das war nicht gelogen, aber die volle Wahrheit war es auch nicht. Er musste weg aus Bombay, so weit weg, dass Drei Komma Eins ihn nicht würde aufspüren können und er wieder frei atmen könnte. Er hätte alles getan, um den Klauen des Mafiabosses zu entrinnen.
âDu willst das Land verlassen?â Parvati-bai war jetzt ganz Ohr. Das war wirklich eine Neuigkeit für sie. Weiter als bis Karjat war ihr Sohn bislang nicht gekommen, und bis dahin brauchte man mit dem Zug anderthalb Stunden oder zwei, wenn es hoch kam. Aber ins Ausland? Ihr Sohn hatte eindeutig Probleme. âWo willst du denn hin?â, fragte sie.
âIst nur so ein Gedanke, Maa. Jeder geht heutzutage nach Dubai, Saudi-Arabien oder an den Golf. Viele Leute aus unseren Chawls sind schon losgezogen, um dort ein bisschen Geld zu verdienen. Nur für ein paar Jahre.â
âWas würdest du dort arbeiten?â
âIch weià nicht
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