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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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Ich dachte, Sie hätten gesagt, es sei dringend.“
    â€žIst es auch. Genau deshalb dürfen wir nichts überstürzen. Nehmen Sie sich einen Tag Bedenkzeit. Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen, stellen Sie fest, was die davon halten. Keine überstürzten Entscheidungen. Was, wenn Sie sich irgendwann einsam fühlen und zurückkommen möchten?“
    â€žZurückkommen? Zurück komme ich erst, wenn ich groß, wirklich groß rausgekommen bin!“
    â€žMag ja sein. Aber ich werde nicht zulassen, dass Sie es unüberlegt tun. Außerdem haben wir uns noch nicht über die finanzielle Seite unterhalten. Dreitausend für Visum und Ticket. Plus ein Monatsgehalt Vermittlungsgebühr.“
    Eddie machte ein langes Gesicht. „Wie viel entsprechen tausend Dollar?“
    â€žDen genauen aktuellen Wechselkurs weiß ich nicht, aber ich kann Ihnen eine ungefähre Zahl sagen. Achttausend Rupien. Insgesamt also elftausend.“
    â€žVergessen Sie’s. Um so viel zusammenzubekommen, müsste ich eine Bank ausrauben.“
    Parvati-bai machte sich Sorgen um Ravan. Er wirkte kühl und unzugänglich, als habe er sich vom Leben zurückgezogen. Nicht, dass er feindselig gewesen wäre oder sich geweigert hätte, Fragen zu beantworten. Das war nicht sein Stil. Ihr Sohn war kein Mensch, der dem Trübsinn verfiel oder sich aus der Bahn werfen ließ, nur weil die Dinge nicht so liefen, wie er wollte. Die Leute dachten oft, so harmlos und umgänglich, wie er aussah, müsse er nachgiebig und leicht zu manipulieren sein, aber er hatte eine störrische Ader, und wenn er sich erst mal zu etwas entschlossen hatte, ließ er nicht locker. In den letzten Wochen hatte Parvati-bai allerdings eine Veränderung bei ihm gespürt. Nicht so sehr in dem Sinne, dass er sich geschlagen gegeben hätte; er spielte einfach nicht mehr mit. War es ein Fehler gewesen, ihn zu zwingen, Taxifahrer zu werden?
    Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie ihm das Ultimatum gestellt hatte: „Schluss mit der Gratisverpflegung! Wer nichts verdient, kriegt nichts zu essen!“, und ihn bei einer Fahrschule eingeschrieben hatte, ohne ihn nach seiner Meinung zu fragen. Er war ein guter Junge, ihr Ravan; ohne zu protestieren, hatte er seinen Führerschein gemacht und einen Job als Taxifahrer gefunden. Jeden Monat behielt er zweihundert Rupien für Essen und Tee und gab ihr den Rest seines Lohns. Sie hatte bei der Postbank einen Sparplan eröffnet und zahlte praktisch alles, was sie von Ravan bekam, als monatliche Rate ein. Sollte einmal etwas passieren oder er irgendwann eine eigene Familie gründen, würde sich das Angesparte als nützlich erweisen.
    Seine musikalischen Interessen lagen schon seit geraumer Zeit auf Eis, aber er versuchte sich weiterhin an einem zweiten Beruf. Sie fand es zwar etwas komisch, dass ihr Sohn ein Schauspieler wie Dilip Kumar, Dev Anand und Raj Kapoor werden wollte, dennoch war sie froh, dass Ravan Ziele im Leben hatte – mochten sie auch noch so unerreichbar sein. Er war nicht nur ein Träumer, er war auch bereit, täglich acht, manchmal sogar zehn oder zwölf Stunden lang Taxi zu fahren und parallel dazu an seiner anderen Laufbahn zu arbeiten. Ab und zu gestattete sie sich, während sie Berge von Kohlköpfen zerkleinerte oder grüne Bohnen schnippelte, sich eine alberne „was wäre wenn“-Frage zu stellen. Es war nur eine müßige Gedankenspielerei – was, wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, Schauspieler zu werden? Wie würde er sich dann nennen? Ravan Kumar? Oder würde er auch seinen Vornamen ändern, wie es anscheinend die meisten Schauspieler machten? Man musste sich das nur vorstellen: Ein Junge aus den CWD -Chawls, der es in die Hindi-Filmindustrie schaffte, und noch dazu ein Star wurde! Vielleicht war sie zu vernünftig, vielleicht zu bodenständig und realistisch, vielleicht fehlte es ihr einfach an Phantasie, aber irgendwie kamen ihre Gedankenspiele nie weiter als bis zu diesem Punkt.
    Sie hätte nie gedacht, Taxifahren könne irgendwelche Risiken mit sich bringen, aber sie stellte zunehmend fest, dass sie sich gewaltig getäuscht hatte. Nur wenige Tage, nachdem Ravan mit dem Job angefangen hatte, war es zu diesem absurden Zusammenstoß mit dem Maaiboli Sangh gekommen. Außerdem gab es andere Gefahren: Mal streikten die BEST -Bus-Angestellten, mal blockierten die Leute eines

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