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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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zu noch mehr Worten, Ehen gehen in die Brüche, Söhne entzweien sich mit ihren Vätern, Vorgesetzte nutzen ihre Untergebenen aus. Wie viel waren Sie bereit zu zahlen?“
    â€žNicht einen Paisa.“
    â€žUnd trotzdem hätte es damit enden können, dass Sie vierzig oder fünfzig Rupien hätten zahlen müssen, einfach weil Sie im falschen Gang fuhren. Natürlich waren Sie im Recht; Sie wussten das, und die Polizisten wussten das. Aber die beiden brauchten ein bisschen Taschengeld, und Sie waren einfach zufällig zur falschen Zeit am richtigen Ort. Sie müssen sich die Frage stellen, ob Sie für ihre Grundsätze einstehen oder lieber Schadensbegrenzung betreiben wollen. Wenn Sie jedes Mal, wenn Sie sich im Recht wissen, auf Ihrem Recht beharren, sitzen Sie bald auf der Straße und verhungern.“
    Ravan merkte durchaus, dass sein Fahrgast es gut mit ihm meinte, aber was sollten diese Sprüche von den hundert oder vielleicht noch mehr Gängen? Als Nächstes würde der Mann ihm erklären, das Leben habe auch Stoßdämpfer, Auspufftöpfe, Vergaser und Gaspedale.
    â€ž Khuda hafiz , Fahrer- sahab , gehen Sie sparsam mit Ihrer Ehre um, nicht wie mit Kleingeld“, sagte der Fahrgast, als er bezahlte. „Und seien Sie vorsichtig, man munkelt, dass es morgen einen Bombay- bandh geben könnte. Ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie zu Hause bleiben.“
    Was war ein „Bombay-Bandh“? Ravan hatte das Wort noch nie gehört. Morgen war weder Sonntag noch ein gesetzlicher Feiertag. Wie konnte die Stadt dann „geschlossen“ sein? Selbst wenn die öffentlichen Verkehrsmittel, wie die BEST -Busse, streikten oder die Taxis in den Ausstand gingen, blieb Bombay geöffnet. Deswegen nannte man es ja die Stadt, die niemals schläft. Wie jeder andere Taxifahrer in der Stadt würde auch Ravan innerhalb weniger Monate lernen, die BEST -Busse und deren Fahrer zu hassen. Ihre Ethik war archaisch: Sie hatten immer Vorfahrt, weil sie einen niederwalzen konnten wie Jagannaths Tempelwagen und Gnade dir Gott, wenn du nicht augenblicklich aus ihrer Bahn abziehst. Wer hätte auch den Mut gehabt, es darauf ankommen zu lassen? Ein klitzekleiner Bums, die federleichteste Berührung von einem dieser Monsterbusse reichte, und jedes Taxi war so flach wie eine Flunder. Außerdem war BEST ein städtisches Unternehmen. Deswegen konnten sich die Fahrer ungestraft alles, aber auch wirklich alles erlauben.
    Doch wenn die Busfahrer mal streikten, war das Leben das reinste Paradies. Dann wurde Bombay zivilisiert. Dann waren die Straßen nicht mehr verstopft, und Fahren wurde zur puren Freude. Das war aber noch längst nicht alles. Wie Ravan in der Ausbildungszeit gehört hatte, waren dies die Tage, an denen die Fahrpreise nicht vom Taxameter bestimmt wurden. Natürlich musste man das Ding einschalten, weil sonst die Geißel Gottes namens Verkehrspolizei einem ein Knöllchen verpasste, sodass das schöne Geld nicht in die eigene Tasche, sondern in die der Beamten floss, aber abgesehen davon konnte man für jede Fahrt verlangen, was man wollte. Oder besser gesagt, was Verkehrsaufkommen und Nachfrage hergaben. Und das war mindestens das Zwei- bis Dreifache der normalen Preise. Wenn man Glück hatte und an einem der großen Bahnhöfe wie Victoria Terminus oder Bombay Central stand, oder noch besser am Flughafen Santa Cruz, hatte man für die ganze Woche ausgesorgt.
    Gut, er hätte irgendeinen Kollegen fragen können, was es mit diesem „Bandh“ auf sich hatte, aber wozu? Er würde ganz gewiss nicht zu Hause bleiben. Er war schon fünfzehn Rupien in den Miesen, und wenn er morgen nicht zur Arbeit kam, würde er einen weiteren Tag lang blank sein, und der Eigentümer des Taxis könnte außerdem zu dem Schluss kommen, dass er ein Drückeberger war, und ihn feuern.
    Am nächsten Tag war viel los, und es war schon drei Uhr nachmittags, als Ravan sich überhaupt wieder an die Warnung des Fahrgasts erinnerte. Die BEST -Busse fuhren und ebenso die Stadtbahnen. Ravan lächelte; nur gut, dass er sich von dem Bandh-Geschwafel nicht hatte verunsichern lassen. Vielleicht hätte er auch gestern besser daran getan, nicht auf ihn zu hören und die Polizisten nicht zu bezahlen.
    Zehn vor sieben, Zeit, Feierabend zu machen. Er würde seinen Fahrgast am Gelände der Kohinoor Mills, nahe der Feuerwache vor Dadar TT , absetzen,

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