Die Statisten - Roman
behindert hast. Wer weiÃ, vielleicht lässt sich der Richter so von deinen juristischen Kenntnissen beeindrucken, dass er dich wegen der erlittenen seelischen Misshandlung um Verzeihung bittet und das BuÃgeld verdreifacht.â
Ein Mann mit einer gehäkelten Kopfbedeckung und einem Vollbart, der zugeschaut hatte, wie Ravan sich erfolgreich in den Schlamassel ritt, trat hinzu und klopfte ihm auf den Rücken.
âDie Herren Wachtmeister mögen mir meine Vermessenheit nachsehenâ, hob der Mann in tadellosem Urdu an, âaber dürfte ich, mit Ihrer Erlaubnis, ein Wort für diesen jungen Mann einlegen?â
âWas zum Teufel willst du?â
âIhnen nur sagen, dass dieser Taxifahrer neu in seinem Metier ist. Bitte verzeihen Sie ihm. Ich versichere Ihnen, er wird nie wieder mit so hochrangigen Polizeibeamten diskutieren. Lassen Sie ihn diesmal mit fünfzehn Rupien davonkommen. Er wird gern auf eine Quittung verzichten.â
âWas?â Ravan starrte den Eindringling aufgebracht an. âWer zum â¦â
âBezahlen Sie einfach.â
Ravan sah den Mann noch einmal an. Was zum Teufel bildete er sich ein, seine Nase in fremde Angelegenheiten zu stecken und ihm zu sagen, er solle bezahlen? Er schien nicht viel älter als Ravan zu sein, hatte allerdings eine dieser Bassbaritonstimmen und die gewichtige Art eines Mannes, der es gewohnt ist, seinen Willen zu bekommen.
âWer hat Sie denn gebeten, sich einzumischen? Sie wissen verdammt genau, dass ich völlig im Recht warâ, ging Ravan auf den Mann los, sobald die Polizisten verschwunden waren.
âWarum haben Sie dann bezahlt?â
âWeil ich Sie nicht vor diesen Polizisten bloÃstellen wollte.â
âDa bin ich Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet.â Der Sarkasmus in der Stimme des Mannes war nicht zu überhören. Er war inzwischen in das Taxi eingestiegen.
âWohin?â
âSie sind ein ehrlicher Mann. Gibt heutzutage nicht mehr viele. Versova.â
âWie bitte? Warum haben Sie mich dann aufgefordert zu bezahlen?â
âVersova.â
âSie wollten, dass ich das Geld ausspucke, wegen Versova?â Ravan hatte keinen blassen Schimmer, wovon der Typ redete und welche Antwort zu welcher Frage gehörte.
âNein, ich will nach Versova, aber unterwegs möchte ich bei der Haji Ali Halt machen. Es ist Ebbe und ich möchte schnell hinüber zur Moschee und den Segen des Pir erhalten. Ein groÃer Heiliger ist ein Mittler zwischen Mensch und Allah Myaan und kann durch den Segen des Allmächtigen Wunder wirken. Aadmi lakh chaahein, âgar Khuda chaahe to hi baat sakti hai.â Der Mann lehnte sich nach vorn und fragte beflissen: âHaben Sie verstanden, was ich gesagt habe? Beherrschen Sie Urdu? ,Der Mensch kann sich hunderttausend Dinge wünschen, doch erst wenn Allah es will, kann etwas daraus werden.â Kennen Sie das Geheimnis eines guten Fahrers, gleich ob eines Taxis oder eines anderen Fahrzeugs? Er weiÃ, wann er schalten muss â abhängig von der Beschaffenheit der StraÃe, der Steigung, dem Zustand des Motors, des Reifendrucks und so weiter.â
âDas ist mir alles bekannt. Das haben wir in der Fahrschule gelernt.â
âUnsere Autos haben vier Gänge. Ausländische haben, wie ich gehört habe, oft fünf.â
Worauf sollte das alles hinauslaufen? Ravan war nicht in der Stimmung für einen Vortrag über Gänge, nachdem er wegen dieses Mannes fünfzehn Mäuse aus seiner eigenen Tasche hatte berappen müssen und das an seinem ersten Tag als Taxifahrer. Weder der Muslim noch der Taxibesitzer würden ihm die Summe erstatten.
âDas Leben gleicht einem Taxi. Es läuft ebenfalls reibungslos, wenn man weiÃ, wann man den Gang wechseln sollte. Der einzige Unterschied besteht darin, dass ein Wagen nur vier oder fünf Gänge hat. Das Leben hat hundert davon, vielleicht sogar mehr. Das macht, wie Sie sich vorstellen können, die Sache etwas verwirrend. Es gibt immer den richtigen Gang, der erhitzte Gemüter beruhigen kann, einem helfen kann, sich aus der Klemme zu befreien, verlorenen Boden zurückzugewinnen und sich durch die vertracktesten Dilemmas hindurchzumanövrieren. Doch nur die wahrhaft Weisen unter uns wissen, welchen Gang man in welcher Situation einlegen sollte. Das ist auch der Grund, weshalb wir oft selbst die simpelsten Angelegenheiten vermasseln; Worte führen
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