Die Statisten - Roman
â Macht über einen Mann, der sein Leben vergiftet hatte â, denn durch diese Schreiben begann sich ein Muster abzuzeichnen: Drei Komma Eins benutzte ihn als eine Art Beichtvater. Der Mann war der Boss einer riesigen Mafia-Organisation gewesen, doch in seinem Verhältnis zu seiner eigenen Frau wirkte er nahezu hilflos. Aber was nützte Ravan diese Information? Bestand auch nur die geringste Aussicht, dass er mit diesen Briefen zur Polizei gehen würde? Wie Bashir Akhtar selbst zu verstehen gegeben hatte, scheute er sich nicht, sich all das von der Seele zu schreiben, weil er sicher war, dass Ravan es nie wagen würde, ihn zu verraten. Und trotz dieser Gewissheit hatte er sich, wie es seine Art war, zusätzlich abgesichert und dafür gesorgt, dass nichts Belastendes auf dem Papier zurückbleiben würde: Bereits Minuten nachdem sie dem Licht ausgesetzt worden war, begann die Tinte wie Ravans Erinnerung zu verblassen.
Doch das dicke â oder besser gesagt, spitze â Ende kam immer im Postskriptum: Es kündigte unmissverständlich an, dass Drei Komma Eins morgen, in einigen Jahren oder vielleicht auch erst in einem Jahrzehnt wieder da sein würde. Und dann würde er unvermutet wieder im Fond des Taxis sitzen und Ravan mitteilen, dass die Ware im Kofferraum lag und nach Panvel oder zur Residenz des Gouverneurs gefahren werden musste.
Ravan lächelte über die Paradoxie seiner Beziehung zu dem untergetauchten Mann. Er war vielleicht nicht Bashir-bhais gröÃter Fan â ganz im Gegenteil â, doch gab es trotzdem niemanden, der dem Gangster so treu ergeben gewesen wäre. Wie eine gute hinduistische Ehefrau würde Ravan brav auf ihn warten, egal wie spät es auch werden mochte.
Im Mehboob Studio war für den nächsten Tag das Ende der Welt, die Apokalypse, der Höhepunkt des kaliyug anberaumt. Die Endschlacht zwischen Gut und Böse stand bevor. Doch die Guten schienen den Kampf gegen den grausamsten und gemeinsten Mann, der je auf Erden gewandelt war â einen Mann, gegen den Hitler, Stalin, Mao und Idi Amin wie wahre Unschuldslämmer erschienen â, bereits verloren zu haben. Wer war dieser Satan, dieses Monstrum, dieser Teufel in Menschengestalt? Es war kein anderer als der kleinste, aber auch zugleich gefährlichste und böseste Schurke, den es jemals gegeben hatte, ein Zwerg namens Bonzai. Ah, fürchte um dein Leben! Nimm deine Frau, Geliebte, Eltern und Kinder und fliehe zum fernen Pluto und bete; bete zu deinen Göttern, dass sie dich beschützen mögen! Noch besser, verlasse das Sonnensystem und verschanze dich in einem Bunker im exakten Mittelpunkt der MilchstraÃe. Und doch ist dann immer noch nicht gesagt, dass du vor Bonzai wirklich sicher sein wirst.
Der Zwerg hasste jeden, der gröÃer war als er, aber vor allem hasste er seine eigene Spezies. Sein ganzes Sinnen und Trachten war darauf ausgerichtet, sich an der Welt für den üblen Streich zu rächen, den ihm das Leben, die Menschheit und Gott gespielt hatten. Bonzai war so gewissenlos und niederträchtig, dass seine gröÃte Freude darin bestand, Familie, Freunde und Vaterland zu verraten. Doch er hatte noch weit gröÃere Pläne: Sein monumentaler Ehrgeiz war, sämtliche Bewohner des Subkontinents und danach die des gesamten Abendlandes an die von seinem Samen gezeugte Ãberrasse zu verkaufen, die entschlossen war, das Universum zu erobern, und Sklaven für ihre weit gestreuten Kolonien in fernen Galaxien brauchte.
Es gab nur einen einzigen Mann, der die Menschheit vor dem drohenden Aussterben bewahren konnte. Sein Name war Bharat. Unglücklicherweise machte er gerade eine tiefe Krise durch und hatte seinen ganzen Mut verloren. Da hatten sich zum ersten Mal in der Geschichte des Universums sämtliche Superhelden der Jetztzeit â und einige aus der Antike und Frühgeschichte â zusammengefunden, um ihn anzuflehen, sie und den Rest der Menschheit zu retten. Superman war da, ebenso Captain Marvel, Batman und Robin, Superwoman, Spiderman, Agent 007, Catwoman, Flash Gordon, Herakles, König Artus, Samson und David, und sie würden alle gleich in Gesang ausbrechen und Bharat erklären, dass jeder Einzelne von ihnen versucht hatte, den verkommenen Bonzai zu besiegen, jedoch kläglich gescheitert war, weswegen er nun ihre letzte Hoffnung sei.
Wird Bharat sich aus seiner Depression befreien? Wird er aufhören, sich in
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