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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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sein, beziehungsweise „Mem“, wie die Anglo-Inder sie nannten. Bis dahin würde er genug verdienen, um eine kleine Wohnung in einem Vorort mieten und sie heiraten zu können. Falls er es in der Zwischenzeit im Film zu etwas bringen sollte – na, dann würde Belle eben einen Star als Mann haben, und sie würden nie in einer regnerischen Nacht mit ihrem flotten Porsche liegen bleiben – einfach deshalb, weil sie einen der besten Kfz-Mechaniker überhaupt am Lenkrad haben würde.

    Wenigstens fünfundsiebzig weitere Statisten und Statistinnen saßen oder lagen ausgestreckt auf dem Rasen, oder lümmelten auf den hölzernen Parkbänken. Es war drei Uhr nachmittags, und sie hatten schon vier Proben für das erste Take des Tanzes hinter sich, in dem sie Bharat anflehten, die Menschheit zu retten, aber alles noch ohne Kamera. Sie hatten den ganzen Tag lang Karten gespielt, Betel gekaut, genörgelt, gequengelt und gezankt. Sie beklagten sich über die Qualität der Verpflegung, sie meckerten über das miese Blatt, dass das Schicksal ihnen ausgeteilt hatte, sie stöhnten, sie knurrten, sie jammerten und jaulten, wie wenig man ihre Arbeit achtete, wie respektlos die Produzenten, Regisseure und Stars sie behandelten. Sie strickten Pullover und Schals, häkelten, und zwar nicht nur die Frauen, sondern auch einige der Männer. Sie zockten, sie lasen Zeitung, sie redeten über Politik, sie verlangten, dass die Filmbranche offiziell als Industriezweig anerkannt würde, sie stritten sich, wie das Land regiert werden sollte, sie gingen sich gegenseitig auf die Nerven, wurden gelegentlich sogar handgreiflich; sie hörten sich das Cricketspiel an, sie redeten über die große Chance, die sie bald bekommen würden, sie dösten ein, sie schnarchten, sie rauchten, sie flirteten, sie langweilten sich, sie redeten davon, den Beruf zu wechseln, und wussten, dass sie das niemals tun würden. Und sie tratschten. Niemand hätte mit Sicherheit sagen können, ob die Filmzeitschriften ihren Klatsch, Tratsch, Schmutz, Schund, ihre Skandalgeschichtchen und Bösartigkeiten direkt vom Hersteller in den Studios bezogen oder ob es andersrum war.
    Eddie fing im Schlaf an zu schreien. Er war schweißgebadet und bemühte sich, die Augen zu öffnen, doch ohne Erfolg. „Nehmt den Deckel ab! Ich brauch Luft! Ich kann nicht atmen!“ Er hatte diesen Albtraum jedes Mal, wenn er in den nicht enden wollenden Pausen zwischen den Drehs ein Nickerchen machte. Jeden Tag nahm er sich vor, nicht einzudösen, aber er konnte nichts dagegen machen; der Kopf kippte ihm auf die Schulter oder auf die Brust, und er war weg, bis er bemerkte, dass er lebendig begraben war, in einem Sarg sechs Fuß unter der Erde. Ravan hätte ja gern den Deckel gehoben und ihn befreit, aber irgendwie war ihm das doch zu viel Mühe. Außerdem mochte Eddie lebendig begraben sein, aber das entscheidende Wort dabei war „lebendig“, während er selbst schon tot war. Und außerdem würde Asmaan, die unter angeborener Hilfsbereitschaft litt, ohnehin zu Eddies Rettung eilen.
    â€žWach auf, Eddie, wach auf!“ Asmaan sprach leise, um Eddie nicht zu erschrecken, und strich ihm über das Haar, um ihn zu beruhigen. „Du bist nicht in einem Sarg eingeschlossen, und da ist gar kein Deckel über deinem Kopf!“
    Eddie öffnete widerstrebend die Augen und lächelte matt, als er Asmaan sah, die ihm mit ihrer orhni die Stirn abwischte.
    â€žIch hasse diesen Job! Für jede Minute Arbeit, die wir leisten, verbringen wir vierhundertneunundsiebzig Minuten mit rein gar nichts. Oh Gott, ich langweile mich, langweil mich zu Tode, langweil mich grün und schimmlig, langweil mich dumm und dämlich: Ich langweil mich, langweil mich, langweil mich!“
    Da geschah etwas Seltsames: Die immer fröhliche, gut gelaunte Asmaan ging mit lodernden Augen wie eine Natter auf Eddie los. Sie erhob die Stimme nicht, doch ihre unterdrückte Wut war trotzdem nicht zu überhören.
    â€žNein, tust du nicht! Das tust du ganz bestimmt nicht! Kinder langweilen sich. Mein verzogener Bruder, der sich von mir aushalten lässt, langweilt sich. Alle übrigen Statisten und Statistinnen langweilen sich. Aber nicht du, nicht Ravan und nicht ich! Wir werden uns niemals langweilen, weil wir keine hirnlosen Dummköpfe sind! Langeweile ist nichts anderes als Sichgehenlassen!
    Habt ihr

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