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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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meinst, nicht irgendjemand anders!“
    Ravan begriff, dass er sich nicht würde herauswinden können. „Zu Beginn machst du dir Gedanken um Gott, und darum, wie sehr wir Menschen ihm zusetzen. Du bemitleidest ihn, weil er dazu verdammt ist, den ganzen Tag Kriechern und Lobhudlern zuhören zu müssen; dann drehst du jedoch Knall auf Fall den Spieß um und machst ihn für alles Unheil auf dieser Welt verantwortlich.“
    â€žWer sollte es denn sonst sein? Nennen wir ihn nicht den Allmächtigen?“
    â€žIch dachte, du seist gläubig.“
    â€žManchmal glaube ich, und dann wieder weiß ich nicht, woran ich glauben soll. Also versuche ich lediglich, ihm meinen Standpunkt klarzumachen. Dürfte ja wohl am besten sein, jemandem, der angeblich allwissend ist, reinen Wein einzuschenken.“
    â€žDu bist ja ganz schön unverschämt“, meldete sich nun Eddie zu Wort.
    â€žEr doch wohl auch, oder? So, wie er uns behandelt. Er ist keineswegs immer barmherzig. Er kann ebenso gleichgültig und gefühllos sein – das heißt, wenn Er nicht gerade strafend und rachsüchtig ist. So zumindest sieht Ihn eine der Personen in meinem Drehbuch.“
    Ging das schon wieder los! Manchmal hatte man den Eindruck, dass sie in eigener Sache sprach, ihre eigenen Ansichten äußerte, und schon in der nächsten Minute schrieb sie die Idee einer der Personen in ihrem Drehbuch zu. In solchen Augenblicken traute Eddie ihr nicht. Es war, als hätte sie sich dabei ertappt, zu viel über sich selbst zu verraten, und würde versuchen, einen Rückzieher zu machen, um die Sache zu vertuschen.
    Doch es war egal, was er von Asmaans eventuellem Ketzertum hielt – er wusste, dass er der Herausforderung, die „Tera kya hoga“ darstellte, unmöglich würde widerstehen können. Schon am nächsten Tag wollte er anfangen, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie er dieses tückische Gedicht am besten vertonen könnte. Und irgendwann würde er eigene Wünsche zurückstellen und Stunden und Tage darauf verwenden, die perfekte Melodie dafür zu finden. Vielleicht könnten er und Ravan gemeinsam daran arbeiten.

23
    Pater Agnello D’Souza hatte schon beinahe alle Lichter in der St. Sebastian’s Church ausgeschaltet und war soeben dabei abzuschließen, als zu seinen Füßen etwas angekrochen kam. „Ich bin ein Mörder, Vater“, flüsterte eine gequälte Stimme vom Boden herauf. Vor Angst schlotternd machte Pater Agnello einen Satz nach hinten.
    â€žBitte töten Sie mich nicht, ich flehe Sie an! Ich bin ein Mann Gottes! Ich bin unschuldig!“
    Doch die Sache wurde noch vertrackter. „Ich habe nicht nur einen unschuldigen Mann getötet, ich habe seine ganze Familie ins Unglück gestürzt. Ich habe seine Frau zur Witwe gemacht, das Leben seiner Kinder zerstört. Aber das ist noch nicht alles. Ich habe ihr kostbarstes Gut vernichtet, ihre Fähigkeit, auf ein besseres Leben zu hoffen. Wäre er nicht gestorben, würden sie jetzt nicht in einem Chawl leben, sondern in einer großen schönen Wohnung in Santa Cruz oder vielleicht sogar Malabar Hill. Sie hätten einen Ambassador und einen Fahrer für das Familienoberhaupt und einen Fiat für die Kinder.“
    Ravan hatte die Familie Coutinho seit seiner und Eddies Kindheit aufmerksam studiert, und Eddie hatte in aller Öffentlichkeit erklärt, Ravan sei der Mörder seines Vaters. Sie wohnten in einem Chawl, da spielte es gar keine Rolle, ob man Bescheid wissen oder lieber ahnungslos bleiben wollte. Man war mit sämtlichen Bewohnern der eigenen Etage und des gesamten Gebäudes wie mit unsichtbaren Fäden verbunden. Ob es einem passte oder nicht, man erlebte das Leben der anderen genauso mit wie das eigene. Ravan hatte nicht bewusst spioniert, aber er wusste über die Coutinhos vermutlich mehr als sie selbst. Er war ihr stummer Chronist und Anekdotensammler. Wie oft hatte er gehört, dass die Kinder, wäre er nicht gewesen, die Cathedral School besucht und die Eignungstests für die Hochschule abgelegt hätten und nach Cambridge oder Oxford gegangen wären! Pieta wäre jetzt Betriebsärztin bei ihrer Firma und Eddie Flugkapitän bei Air India und würde durch die ganze Welt fliegen, anstatt in dieser Stadt als Statist zu versauern.
    Seit seiner Kindheit sah Ravan Pater Agnello D’Souza seine Schäfchen im CWD

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