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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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es ihm vorbeibringen. Sie selbst würde am Abend mit seinem Lieblingsgericht, Schweinefleisch -vindaloo , wiederkommen. Sie öffnete ihre Handtasche, um ihm etwas Geld dazulassen, als sie zischelnde, wispernde Geräusche hörte, als ob verlorene Seelen aus der Vorhölle versuchten, eine Botschaft zu übermitteln. Ihr gruselte an diesem Ort.
    â€žWo ist denn dein Freund Ravan?“, fragte sie, als ihr Bruder zurückkam.
    Eddie zeigte auf das nächste Bett.
    â€žIch schau mal nach ihm.“
    Sie wandte sich zum benachbarten Bett. Alles, die Betten, Nachtkästen, Nierenschalen, die Blätter der Ventilatoren und die Patienten, war durch das Neonlicht aus dem Schwesternzimmer in eine gespenstische blau-violette Leichenblässe getaucht. Wer immer Ravan Pawars Gesicht auseinandergenommen hatte, hatte es recht schludrig wieder zusammengesetzt, wie Teile eines Puzzles, die nicht zusammenpassten. Das linke Auge war durch eine Aubergine ersetzt worden und das rechte bis auf einen schmalen Ritz fest verschlossen. Die Nase war ein altgedienter Cricketball, dessen Nähte den Geist aufgegeben hatten und dessen Füllung jeden Augenblick hervorquellen konnte. Was die Lippen anging, so hätten sie einem mitten in einem Pazifik-Orkan als Rettungsring gute Dienste geleistet.
    Pieta verfluchte den Tag, an dem sie Ravan zum ersten Mal gesehen hatte. Sie hatte ihm immer einen Vertrauensbonus eingeräumt, aber ihre Mutter hatte recht gehabt. Er bedeutete nichts als Ärger. Sie musste das Gesicht abwenden, um ihn nicht ansehen zu müssen.
    â€žAls ClickClick kam, war Ihre Mutter in den Tempel gegangen, und Ihr Vater schlief entweder oder war ausgegangen. Deswegen bat ClickClick mich, Parvati-bai zu informieren. Ich habe beschlossen, selbst herzukommen und mir ein Bild zu machen, bevor ich sie unnötig beunruhige.“
    â€žSagen Sie meiner Mutter bitte, dass sie sich keine Sorgen um mich zu machen braucht.“ Sie musste sich hinunterbeugen, um seine Stimme zu hören, die dünner als ein Rauchkringel war. „Es ist wirklich alles in Ordnung. Ich bin nur gestolpert und dumm gefallen.“
    â€žIch werde nichts dergleichen tun!“ Pieta regte sich dermaßen auf, dass sie Ravan am liebsten auch noch ein bisschen geprügelt hätte. „Was haben Sie dieser armen Frau schon alles zugemutet! Machen sie mit Ihrem Gerede, katholisch werden zu wollen, völlig verrückt und versuchen, mich mit Ihrer Soutane zu beeindrucken, als würde ich auf solch billige Tricks hereinfallen!“
    Da tat Ravan etwas Unmögliches. Er versuchte zu lächeln.
    â€žWas ist so komisch, Ravan?“ Pieta ertrug es nicht, diese groteske Karikatur eines Clowns anzusehen.
    Ravan schüttelte den Kopf. „Nichts.“
    â€žAlso, ich kann Ihrer Mutter jedenfalls etwas Komisches erzählen!“, sagte Pieta. „Dass Sie nichts dazugelernt haben, absolut gar nichts, obwohl Sie ein erwachsener Mensch sind; dass Sie noch immer versuchen, den Helden zu spielen. Ich werde sie morgen Abend mit hierhernehmen.“

    Vier Tage später brachte Parvati-bai auch einen unfrankierten Umschlag mit ins Krankenhaus. Mittlerweile hatten die Briefe ihren Überraschungseffekt und ihre Schockwirkung verloren. Nicht aber ihren widerwärtigen Geschmack und das unterschwellig Bedrohliche.

    Glücksbringer,
    die Arithmetik, die man uns in der Schule beibringt, unterscheidet sich von der Arithmetik des Lebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen beträchtlich. Erstere ist exakt und geregelt. Sie lässt keinerlei Zweideutigkeit zu. Wenn du zwei mit zwei multiplizierst, oder eine siebenstellige mit einer neunstelligen Zahl, dann weißt du genau, woran du bist; solange du richtig rechnest. Wenn unsere Beziehungen zu unseren Angehörigen, Freunden, Arbeitgebern oder wem auch immer doch ebenso einfach wären! Wir müssten uns nur an die klar definierten Regeln halten, und es gäbe keinen Raum für Missverständnisse, Komplikationen oder Meinungsverschiedenheiten.
    Erweist einem jemand eine Gefälligkeit, versteht es sich von selbst, dass man ihm auch dann etwas schuldig ist, wenn sie nicht materieller Natur war. Je größer die Gefälligkeit, desto größer die Schuld. Und die Schuld wird immer größer, sofern man die Gefälligkeit nicht zu einem Zinssatz zurückzahlt, der sich in Wahrheit jeder genauen Berechnung entzieht. Je eher man irgendetwas

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