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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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mögen, dass sie gleich in sich zusammenstürzen würde, dann aber das Undenkbare tat: Sie schwappte mit unendlicher Anmut in sich zurück und verschmolz mit dem schwarzen Haarteppich. Er hob seine Gitarre in ihrer Tragetasche auf und schlang sie sich um die Schulter. Ein letzter Blick in den Spiegel, und weg war er.

    Eddie ging seine Strategie noch einmal durch, zum 511. Mal. Sein Szenario sah aus wie folgt:
    Die Zeit: 9.47 Uhr. Er wurde hineingerufen. Er übergab der US -Vizekonsulin Caroline Meredith Pass und sonstige Papiere. Miss Meredith war lang, fast sechs Fuß, hager, ohne ein Gramm Fett. Eddie war sicher, dass sie täglich zwei Stunden joggte und direkt anschließend dreißig Minuten Hanteln stemmte. Falls sie Lippen hatte, sah man davon nur einen dünnen, unerbittlichen Strich. Blondinen, so viel hatte Eddie aus Hollywoodfilmen gelernt, waren dümmlich. Miss Meredith fiel da ganz aus dem Rahmen. Dafür strahlte sie den humorlosen Ernst einer Missionarin aus. Was die Situation noch verwirrender machte, war die Tatsache, dass sie trotz ihres strengen Aussehens und ihres superschlanken Körperbaus in bestimmten Regionen überdurchschnittlich gut ausgestattet war. Sie verzog keine Miene, als Eddie sein blendendstes Lächeln erstrahlen ließ und Hallo sagte. „Guten Morgen“, sagte sie streng und sichtete die Dokumente, ohne ihn anzusehen. Eddie ließ sich nicht verunsichern, er wusste, dass sich Bürokraten überall auf der Welt so benahmen.
    â€žEin paar Unterlagen fehlen, Ihr Einkommenssteuerbescheid beispielsweise.“
    â€žDas liegt daran, dass ich keine Einkommenssteuer zahle.“
    â€žWie steht es mit Ihren Eltern?“
    â€žMein Vater starb schon vor meiner Geburt.“
    â€žGrundeigentum?“
    â€žAlles, was wir in Goa hatten, ist weg. Meine Mutter hat damit unsere Erziehung finanziert.“
    â€žKeine Familiengeschichten, bitte. Wie ich sehe, sind Sie nicht gerade überqualifiziert.“
    â€žIch bin Künstler.“
    â€žMeines Wissens brauchen auch Künstler drei Mahlzeiten am Tag. Wie beabsichtigen Sie, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten?“
    â€žOh, ich werde bestimmt einen Job finden.“
    â€žWas denn zum Beispiel? Taxi fahren?“
    Wofür hielt die ihn eigentlich, für diesen Penner aus dem vierten Stock?
    â€žNein, ganz bestimmt nicht.“
    â€žHaben Sie irgendwelche besonderen Fähigkeiten? Sind Sie Elektriker?“
    â€žNein.“
    â€žKlempner?“
    â€žNein. Meine Mutter würde vor Scham in den Boden versinken, wenn ich anfinge, Klosetts zu reparieren.“
    â€žKein Schulabschluss und keine berufliche Ausbildung. Also noch einmal: Wie gedenken Sie, sich Ihren Lebensunterhalt zu verdienen?“
    â€žIch zeig’s Ihnen.“ Das war es. Sein Augenblick war gekommen, der Augenblick, da Eddie die Welt schocken und sein Schicksal neu erfinden würde. Er streifte die Leinwandtasche von der Gitarre ab und schlug den ersten Akkord an.
    â€žIf you’re looking for trouble,
    you came to the right place.
    If you’re looking for trouble
    Just look right in my face.“
    â€žMr Coutinho. Ich muss Sie bitten, augenblicklich mit diesem entsetzlichen Lärm aufzuhören!“
    Eddie achtete nicht weiter auf sie. Sein Körper zuckte und zappelte wie eine kaputte Marionette, seine Knie schlenkerten zu- und auseinander, und er schleifte mit den Füßen über den Fußboden, schwang seine Gitarre, warf den Kopf in den Nacken und riss an den Saiten, als wollte er sie zerreißen.
    â€žMr Coutinho, auch wenn es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein sollte, ist dies keine Unterführung für Straßenmusikanten und Obdachlose, sondern das amerikanische Konsulat. Beenden Sie unverzüglich Ihre grauenhafte Darbietung!“
    Wie hätte Eddie aufhören können? Er war Elvis der King in „Mein Leben ist Rhythmus“, der Filmfassung von Harold Robbins’ Roman „Die Gnadenlosen“.
    â€žI never looked for trouble“ – Eddie beugte sich bedrohlich nah an Vizekonsulin Caroline Meredith heran –, „but I never ran. I don’t take no orders from no kind of man …“
    â€žMag sein, dass Sie sich von keinem Mann was sagen lassen, aber als Frau sage ich Ihnen Folgendes: Ich lasse Sie jetzt hinauswerfen!“ Eddie erreichte nicht mehr das Ende des Songs. Zwei Sicherheitsleute hoben ihn von den Füßen. Er

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