Die Staufer und ihre Zeit
Welt, als die Mutter bereits 40 Jahre alt war.
Prompt streuten Heinrichs Gegner das Gerücht, der ehemaligen Nonne Konstanze habe man den Säugling eines Arztes, Metzgers oder Falkners untergeschoben. Heinrichs Freunde setzten wenig später dagegen die Legende, Konstanze sei, um alle Zweifel zu zerstreuen, in einem Zelt auf dem Marktplatz von Jesi niedergekommen mit der Ansage, »dass es allen Baronen und Adligen, Männern und Frauen, erlaubt sei, herbeizukommen und sie gebären zu sehen, damit jeder wisse, dass es kein untergeschobenes Kind sei« – so der Humanist Pandolfo Collenuccio in seinem »Abriss der Geschichte des Königreichs Neapel« aus dem 15. Jahrhundert.
Dass Friedrichs Geburt aus dynastischem Grund so heftig erwünscht war, zudem an Weihnachten und einen Tag nach der Krönung des Vaters zum König des Normannenreichs geschah, war gewiss Anlass genug für Misstrauen, besonders bei jenen Einheimischen, die die Deutschen gern losgeworden wären, weil sie ihren »furor teutonicus«, die germanische Raserei, fürchteten, vor der schon der römische Dichter Lucan gewarnt hatte. Bewiesen wurde der Verdacht nie.
Der meist als mittelgroß, rothaarig, hellhäutig, bartlos und wohlgestaltet beschriebene Friedrich – die gemalten und gemeißelten Porträts sind leider allzu idealtypisch geraten – ist als Spross einer schwäbisch-normannischen Verbindung durchaus glaubwürdig; dass ein sizilischer Metzger der wahre Vater gewesen sein soll, ist zumindest nicht wahrscheinlicher. Friedrich wurde als Schwaben-Sohn jedenfalls
vom Papst anerkannt, Konstanze soll dafür einen Eid geschworen haben.
Der Papst war es denn auch, der nach dem frühen Tod der Eltern die Vormundschaft über Friedrich II. übernahm. Die Mutter hatte dafür auf die kaiserlichen Ambitionen in Süditalien verzichtet und damit anerkannt, dass Papst Innozenz III. den Staufern das Königreich Sizilien lediglich als Lehen, zur Nutzung, überlasse, also er der eigentliche Herr über diese damals blühende Region sei. Ihr Mann Heinrich hatte sich noch gegen eine solche Konzession an den Papst gestellt. Als Friedrich älter war, teilte er gewiss die Auffassung seines Vaters, ohne es offen zuzugeben – Hauptgrund für ständige Querelen zwischen ihm und insgesamt vier Päpsten.
Die Turbulenzen, die Friedrichs Geburt umspielen, setzen sich auf eine Weise fort, die schicksalhaft wirkt. Am Tag vor seinem zweiten Geburtstag wird er auf Druck seines Vaters in Frankfurt am Main zum römisch-deutschen König gewählt. Nur zwei Jahre später ist der Junge, der 2000 Kilometer weiter südlich in Italien aufwächst, Vollwaise. Die Königswahl wird schon bald von den Fürsten kaum noch beachtet und darum zweimal (1211/12) wiederholt beziehungsweise bestätigt.
Unvorstellbar, wie der kleine König hin- und hergezerrt wird: Die Frau Konrads von Urslingen, eines Schwaben, den noch Barbarossa zum Herzog von Spoleto erhoben hatte, hütet in Foligno bei Assisi den kleinen Friedrich bis zum dritten Lebensjahr; in diesem deutschen Fürstenhaushalt auf mittelitalienischem Boden hört das Kind neben italienischen gewiss auch mittelhochdeutsche Redewendungen. Zweieinhalb Jahre bekommt es seine Mutter nicht zu Gesicht.
Kurz vor ihrem Tod lässt sie es in den normannischen Königspalast am Westrand von Palermo bringen. Ob dort noch Französisch gesprochen wurde, ist ungewiss. Der bald verwaiste Kindkönig gerät hier unter die Fuchtel verschiedener
Ehrgeizlinge, die sich als »Wächter des Königs« aufspielen, um entweder bis zu seiner Volljährigkeit von seinen Titeln und Besitztümern zu profitieren oder auch, um ihn bei passender Gelegenheit zu beseitigen und zu beerben. Friedrich, um den sich vor allem päpstliche und staufische Gefolgsleute zanken, wird mal gekidnappt und weggesperrt, mal mit dem Tode bedroht – »unter reißenden Wölfen ein Lamm«, wie ein Chronist schreibt. Als Häscher des Heerführers Markward von Annweiler ihn einfangen, öffnet der Sechsjährige wütend seinen Königsmantel, zerreißt seine Kleider und »zerfetzt«, wie ein Zeitgenosse notiert, »sein junges Fleisch mit seinen gleich Messern schneidenden Fingernägeln«.
Dass, wie noch in der berühmt gewordenen Friedrich-Biografie des George-Jüngers Ernst Kantorowicz nachzulesen, der »schöne Knabe« in dieser Zeit mitunter hungrig und allein durch die Straßen Palermos irrt, wach und wissensdurstig, bei verschiedenen Anwohnern um Brot und Bettstatt bittend, ist gewiss eine Legende.
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